NB: Beim Rezitieren dieses Textes empfiehlt es sich, nach jeder der zitierten Äußerungen mit dem Munde das eigentümliche Geräusch einer in Betrieb genommenen Handfeuerwaffe zu imitieren, indem man die Lippen fest aufeinanderpresst, während dahinter die Luft einen Moment gestaut wird, um dann mit einem explosiven Laut entlassen zu werden, an den sich ein zwischen Zungenrücken und Gaumensegel gebildeter stimmloser Reibelaut unmittelbar anschließt, der, in der Tonhöhe sinkend, rasch ausklingt. Dieses Geräusch kann nach jedem der Sätze beliebig oft wie auch beliebig laut zu Gehör gebracht werden, wobei die mit derlei Variationsmöglichkeiten ausdrückbaren Unterschiede in der Bewertung der vorangegangenen Äußerung als bedeutendes Element der Interpretation des Poems anzusehen nicht vernachlässigt werden dürfte.

 

„Willkommen beim Bewerbungstraining!“

„Wollen Sie vielleicht zwei Wochen kostenlos DIE ZEIT lesen?“

„Sie sind vier Minuten zu spät.“

„Wer spricht das Tischgebet?“

„Der frühe Vogel –“

„Schonmal über Ihre Altersvorsorge nachgedacht?“

„Sie können hier nicht sitzen. Dieses Grundstück ist Privateigentum.“

„Kriminalpolizei. Können wir Sie mal kurz sprechen?“

„Ganz ruhig, man kann über alles reden.“

„Ich forsche als Postdoc in einem Drittmittelprojekt zum Thema ‚Queere Räume in der Sakralarchitektur postavantgardistischer Science-Fiction-Romane Schwarzafrikas‘. Ist total interessant!“

„… Verantwortung –“

„Dies waren erfolgreiche Verhandlungen. Die Fortschritte sind sehr deutlich. Wir konnten uns auf weitreichende Vorschläge für verbindliche Vereinbarungen über Minimalziele einigen und sind auf einem guten Weg.“

„Ich will ein Kind von dir.“

„Wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen.“

„Der Kapitalismus hat sich als ein hocheffizientes System zur Güterverteilung erweisen.“

„Sammeln Sie unsere Treueherzen?“

„Heute sprechen wir über Aufgestiegene Meister und ihre unterschiedlichen Qualitäten. Außerdem lernen wir, mit Baumelfen, Delphin-Energien, Wal-Energien, Hasen-Energien, Schnabeltier-Energien und Furz-Energien zu arbeiten und an Typhus verstorbene Tanten zu channeln.“

„Ich weiß, es ist spät, aber wenn Sie damit fertig sind, müssten sie unbedingt heute noch –“

„Und nochmal die vier Stufen der Teamentwicklung, alle zusammen: Forming! Storming! Norming! Performing!“

„Hallo, darf ich dich mal kurz ansprechen: hast du Lust auf einen Schnupperkurs im Lachyogazentrum?“

„Meinetwegen kann ganz Afrika verrecken. Ich hab schon genug eigene Probleme.“

„Ich sag immer: erst die Arbeit, dann –“

„Ich sag immer –“

„Sie sagen: Leistung. Ich sage: mehr Leistung! Sie sagen: Wettbewerb. Ich sage: mehr Wettbewerb! Sie sagen –“

„340 PS. Acht-Stufen-Automatik. 10 Liter etwa. Fast 200 Sachen. Geleast. 279,- im Monat. Laufzeit drei Jahre. Geil, wa? Und du? Immer noch Radler?“

„Wir haben lange überlegt und ihn dann doch Abbondio Amadeus genannt. Willst du mal ein Foto sehen?“

„Pinkeln Sie etwa an meinen Zaun, Sie Schwein?!“

„Wenn Sie zu diesem Bleistift noch einen Kalender und einen Korrekturroller kaufen möchten, hätten wir das dazu passende Mäppchen mit Prinzessin-Lillifee-Motiven um fünfzehn Prozent reduziert da. Wär das was für Sie?“

„So, so, das dachten Sie. Fürs Denken werden Sie aber nicht bezahlt.“

„Arbeit entwickelt Kompetenzen, gibt Orientierung und sozialen Rückhalt, verschafft Anerkennung, wirkt identitätsstiftend und sichert die Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand. Hat jemand etwas hinzuzufügen?“

„Na, Soldat, wir salutiert man richtig?”

„Menschen waren schon immer arm. Hunger gabs auch schon immer. Ist eben so. Kannst du nichts machen. Das Leben ist kein –“

„Erst Nummer ziehen!!“

„Eh, Mann, bist du das wirklich? Ja, meine Fresse! Ewig nicht gesehn ham wir uns, oder?! Wow, ich freu mich echt! Find ich supertoll, dich zu sehen! Hammergeil! Siehst fantastisch aus, ganz ehrlich, total relaxt!“

„Kannst du auch mal positiv sein?!“

„Ich könnte nirgendwo sonst leben. Arschkrampingen ist meine Heimat und der beste Ort der Welt! Und deshalb sage ich laut: Nieder mit Oberarschkrampingen!“

„Ich weiß noch, wie ich an meinem zwölften Geburtstag mit Daddy zum Baseball ging. Es war ein heißer Tag. Die Yankees spielten gegen die Tigers. Das war das Spiel, in dem O’Husty den Rekord von MacPillerman brach. Und Daddy war damals schon sehr, sehr krank …“

„Es gilt nun für uns alle, Reformbereitschaft zu zeigen und die schmerzhaften Einschnitte mitzutragen, um das Vertrauen an den Märkten zurückzugewinnen.“

„Ich weiß, wer da dahinter steckt … aber ich darf’s ja nicht sagen: Israel und die Juden nämlich!“

„Geh arbeiten!“

„Ich finde das toll, dass wir heute nicht mehr so verkrampft sind. Dass man sich auch wieder ganz positiv auf Heimat beziehen kann und Familie und Religion und andere Traditionen. Dieses ganze Rebellionsding war doch sowieso immer total spießig. Ich bete, bin meinem Schorschi treu, liebe mein Land und trage gern Tracht. Ich seh das ganz locker. Und du?“

„Weil ich es Ihnen sage. Reicht Ihnen das als Begründung?“

„So einem Kinderschänder, so einem üblen Dreckschwein, so einem abartigen, perversen Unmenschen, dem würde ich …, dem sollte man …, also so jemanden muss man wie im Mittelalter …“

„Laut Wiedereingliederungsvereinbarung hatten wir aber eine Eigenbemühung im Monat mehr vereinbart. Das muss ich sanktionieren. Sie können sich aber gerne dazu äußern.“

„So jemanden sollte man sofort erschießen!“

„Hey, los, wir tanzen!“

„Letzte Runde!“

„Schlaaaaand!“

„Hände hoch und keine Mätzchen!“

„Pff, die is ja nichmal geladen …“

 

 

 

(zuerst erschienen in „EXOT – Zeitschrift für komische Literatur“, Nr. 17)