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Dead Wall Reveries

~ Defätismus und innere Revolution

Dead Wall Reveries

Kategorien-Archiv: Stilblüten & Hirnbluten

Kindergeburtstag mit Freddy Quinn. Ein Nachwuchsökonom erklärt Blockupy

27 Freitag Mrz 2015

Posted by dwrkollektiv in 'was mit Medien, Das Elend der Demokratie, Der psychologische Überbau, Katalog der bürgerlichen Tugenden, Metatexte, Stilblüten & Hirnbluten

≈ 3 Kommentare

 

Leider macht es oft am meisten Spaß, Erwiderungen auf Texte zu schreiben, die solcher überhaupt nicht bedürfen. Wie ein Furz in der Konferenz rufen sie bei jedem sensiblen Rezipienten das gleiche Urteil hervor, ohne dass man sich darüber auszutauschen hätte. Sie sind sozusagen die Prämisse eines Standardschlusses, das Negativ ihrer Widerlegung. Ein solcher Glücksfall von Text ist der kleine Artikel eines hoffnungsvollen Jungökonomen mit russischem Migrationshintergrund, der kürzlich im Onlineangebot der WELT erschienen ist.

Meine Eltern hatten 200 D-Mark in der Tasche, als wir nach Deutschland kamen. Nach einer Nacht im erstbesten Hotel waren die weg. Dann kamen Sozialhilfe, Kleidung und Spielsachen vom Roten Kreuz, Spenden und sehr viel harte Arbeit.

So beginnt das Textchen und setzt damit eine erste Ideologiemarke: es gibt zwei Arten von armen Schweinen – die einen arbeiten hart, die anderen bleiben arm. Also ist jeder, der arm bleibt, nicht nur ein armes, sondern vor allem ein faules Schwein.

In den Urlaub fahren stand nicht zur Debatte, neue Möbel gab es nicht, an Restaurantbesuche wurde nicht einmal gedacht

schreibt der telepathisch begabte Junge. Aber…

Aber wir waren zufrieden, sehr sogar. Immerhin hatte ein Land uns aufgenommen, in dem die Supermarktregale gefüllt waren, die Züge fuhren und die Straßen sauber waren. Mehr noch, meine Eltern bekamen die Chance, für ihr Geld zu arbeiten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

‚Immerhin!‘ sagt der Taubstumme zum Tauben. Immerhin Fototapete im Folterkeller. Mit Trotteln, die ‚immerhin!‚ sagen, ist der Weg zur Hölle gepflastert. Die Tatsachen, dass irgendwo Supermarktregale gefüllt sind und Züge fahren, geben nicht den geringsten Grund zur Hoffnung, dass die Menschen dort zufrieden sein müssten – zumal die „Chance“, für Geld zu arbeiten, impliziert, dass man sein Leben eben nicht „in die eigenen Hände“ nehmen kann, da man das Geld ja nicht sich selbst ausbezahlt.

Aber die Marschrichtung (Denkrichtung möchte ich’s nicht nennen) des Autors ist klar. Die moralische arme Sau ist dankbar, dass man sie nicht absticht, statt sich zu beklagen, dass sie arm ist. Deshalb und nur deshalb steht Moral so hoch im Kurs bei allen denen, die nicht hoch im Kurs stehen: mit Moral kann man sich denen, die keine haben, weil sie keine brauchen, zum Benutztwerden anempfehlen. Moral und Tugend, also alles zwischen Bescheidenheit und Gewaltfreiheit bis zum Respekt vor Traditionen, ist in der Gesellschaft, in der wir leben, die wertlose Aufwertung der Anpassung, ein joviales Schulterklopfen der Herrschaft für den zahmen Knecht. Und damit natürlich auch der Stoff, aus dem bürgerliche Zeitungen sind:

Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich auf der Straße höflich grüßte, zur Arbeit ging, in Supermärkten die Auswahl zwischen zwanzig Sorten Joghurt hatte [sic], bei Notfällen auf die Polizei zählen konnte und der Notarzt innerhalb von zehn Minuten kam – all das ist der Luxus, an den sich Deutschland längst gewöhnt hat

Es ist mir persönlich zwar scheißegal, aber um der Wahrheit willen muss ich doch erwähnen, dass es durchaus Straßen in diesem Land geben soll, auf denen der höfliche Gruß nicht die Regel darstellt. Und auch zur Arbeit, höre ich, geht nicht jeder an Luxus gewöhnte deutsche Bürger; tut er’s doch, fehlt ihm zum Luxus wohl noch ein Monatslohn… Korrekt ist aber in der Tat, dass man in den deutschen Grenzen seit 1990 eine Joghurtauswahl hat, um welche Dänen, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Franzosen, Schweizer, Österreicher, Tschechen, Polen, Briten, Iren, Italiener, Schweden, Spanier, Ungarn, Norweger, Kroaten, Amerikaner, Kanadier, Australier, Argentinier, Portugiesen, Griechen, Neuseeländer, Chinesen, Algerier, Russen, Japaner, Mexikaner, Chilenen, Ägypter, Koreaner, Südafrikaner, Saudis, Indonesier, Georgier, Inder und Slowaken uns tatsächlich beneiden dürften. Sagte nicht ein großer Deutscher einst: am deutschen Joghurtwesen soll die Welt genesen? Aber, werden die neidischen Welschen vielleicht sagen, zwanzig Sorten im Regal heißen noch lange nicht, dass jeder Deutsche auch zwanzig Sorten im Kühlschrank hat. Schließlich muss er sie erst kaufen. Und dazu braucht er – wie war das nochmal im VWL-Seminar? – richtig: Geld. Aber das ist ja wieder ein ganz anderes Thema, worüber unser begeisterter Jungdeutscher gar nicht sprechen will…

Immerhin (!) kann man als vietnamesischer Flüchtling, der aus einem brennenden Asylantenheim herausschreit, darauf zählen, dass die deutsche Polizei ruckzuck den grölenden Mob einkesselt und abtransportiert, der das Heim aus lauter Freude über seine zwanzig Joghurtsorten in Brand gesetzt hat. Und wenn man sich doch mal Verbrennungen dritten Grades einfängt oder mit einem Joghurt essenden Deutschen, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ist, um sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, derart ungünstig aneinandergeraten ist, dass man stark blutend auf dem Bürgersteig verbleibt, dann kann man sich darauf freuen, dass binnen zehn Minuten ein supernetter Notarzt kommt – jedenfalls wenn einer der freundlich grüßenden Passanten ihn vorher gerufen hat.

Das ist der Luxus, der Deutschland (oder Dänemark oder die Niederlande oder Belgien oder …) heißt, und wer sich an den gewöhnt, statt täglich neu dafür zu danken, ist ein Rüpel. Mindestens:

Jetzt haben sie [die Eltern des Autors] ein Haus, ein Auto, fahren in den Urlaub, ihre Kinder machen das Abitur und studieren. Während irgendwelche gutbürgerlichen „Aktivisten“ nach Frankfurt fahren und die halbe Stadt in Brand setzen, um für Gerechtigkeit zu demonstrieren.

Es ist gerade sehr trendy bei bürgerlichen Interpreten, die statistisch nicht erfassten Teilnehmer der „Blockupy-Krawalle“ (Bild) als „gutbürgerlich“, „Bürgerkinder“ oder „gelangweilte Bürgersöhne“ (die Töchter spielen wohl Geige und langweilen sich nicht) zu titulieren, wohl weil der Bürger denkt, dass der antikapitalistische Unternehmerssohn sich böse ertappt fühlt, wenn jemand merkt, dass er sich gar nicht aus dem Lumpentum emporrandaliert hat, sondern nur deshalb Zeit zum Nachdenken hatte, weil er nicht am Fließband stehen musste. Wollten die Kritiker etwa ausdrücken, dass sie randalierenden Fließbandarbeitern eher zuhören würden, weil deren Wut authentischer wäre? Oder was sonst kann es bedeuten, wenn Bürger vermeintlichen Bürgern ihr Bürgertum vorwerfen?

Insbesondere bedeutet das, dass die Interpretationselite der Marktwirtschaft sich selbst und ihre Klientel beruhigen möchte. Jeder neue Aufruhr in einer dichter werdenden Reihe von sozialen Unruhen in Europa wird reflexhaft als politisch irrelevant eingestuft, entweder weil den Akteuren jedes politische Motiv abgesprochen wird oder weil sie als Gruppe ohnehin marginalisiert seien. „Es gibt kein revolutionäres Subjekt mehr“, beginnt der Blockupy-Kommentar des stellvertretenden WELT-Chefredakteurs. ‚Es wird keine Revolution geben, da es niemanden gibt, der eine Revolution trägt. Die Leute wollen keine Revolution.‘ Das will er sagen. Und diesen Befund möchte man stützen, indem man diejenigen, die vielleicht doch eine wollen (und von deren Zahmheit der WELT-Redakteur nichts weiß, da er den Schwarzen Block und Blockupy für bedrohlich hält), wenigstens sprachlich von der Mehrheit scheidet und unbesehen als „Kriminelle“, „randalierender Mob“ oder eben „Bürgersöhne“ einer Minderheit zuschlägt, von der die Funktionsträger des Kapitalsmus nichts zu befürchten haben. Der Bevölkerungsmehrheit wiederum signalisiert man damit, dass es sich bei den „Aktivisten“ lediglich um lichtscheues Gesindel, um eine ganz unzuverlässige Mischpoke handele, wenn es darum geht, einen Fußball- oder Exportweltmeisterstaat zu schmieden. Implizit geben sie zwar damit zu, dass die meisten Söhne dieses Landes keine „Bürgersöhne“ sind und trotz harter Arbeit nicht ihren angestammten „Platz im Establishment einzunehmen“ imstande sein werden. Dennoch ist damit die Frage, was politisch oder ökonomisch zu verändern wäre, damit es nicht mehr zu solchen Unruhen käme, nicht nur vom Tisch, sondern gar nicht erst auf den Tisch gekommen: man braucht einfach mehr Polizei. Unser Jungökonom dazu:

Es sind Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft, die nichts zu deren Erfolg beigetragen haben. Die eine kostenlose Bildung, saubere Straßen, eine funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung vorgefunden und genossen haben, ohne sie jemals wertgeschätzt zu haben. Es sind Menschen, die selbst nicht in der Lage wären, das aufzubauen, was sie mutwillig zerstören.

Der klingt ganz, als sei er selbst dabei gewesen und habe sich wochenlang die Lebensbeichten der Krawallmacher angehört. Trotzdem bringt er nur Argumente von Bauklötzchenformat zustande: junge Leute sollen erstmal was aufbauen, bevor sie was kaputtmachen. Als ob man sie dann wirklich kaputtmachen ließe was sie selbst aufgebaut haben, den in Bad Cannstatt zusammengeschraubten Neuwagen zum Beispiel. Außerdem, sagt er, sollte man saubere Straßen auch wertschätzen – und nicht nur genießen. Ein interessanter Aspekt, den man nutzbringend in den mündlichen Teil des Einbürgerungstests aufnehmen könnte:

  • Haben Sie bei uns in Deutschland saubere Straßen vorgefunden?
  • Oh ja. Wunderbare Straßen.
  • Schön. Und genießen Sie unsere sauberen Straßen?
  • Genießen?
  • Ganz recht. Genießen Sie sie?
  • Ähm. Ich denke schon. Ja.
  • Gut. Sehr gut. Aber wertschätzen Sie unsere Straßen auch? usw.

Eine „funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung“ finden heute noch ausschließlich Ökonomen vor. Und auch nur, weil sie jahrelang im Finden solch leicht übersehbarer wirtschaftlicher Zusammenhänge ausgebildet worden sind. Ökonomische Laien wie Rentner, Arbeitslose, Armutsgefährdete, 70 % der Arbeitnehmer und 60 % der gesamten Bevölkerung, die glauben, dass die Wähler gar nicht wirklich das Sagen in Deutschland hätten, können die subtilen Beweise für die beste aller Welten einfach nicht wertschätzen – und oft nicht einmal genießen…

Aus Benennungen wie „gutbürgerlich“ oder „dumme Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft“ spricht übrigens auch der konkurrenzgequälte Widerwille gegen die Bessergestellten, die weniger oder sogar überhaupt nicht fleißig sein mussten, um in dieser funktionierenden Gesellschaftsordnung durchzukommen. Aber der sei dem Autor verziehen. Auf die Dauer muss es enorm frustrierend sein, als Karrieremigrant auf dem Weg zur Traumhochzeit mit einer blonden Zahnärztin das geforderte Normalmaß an Heuchelei auch noch überbieten zu müssen.

Er macht sich trotzdem nicht schlecht dabei:

Demonstrationen dienen der freien Meinungsäußerung. Doch was wir in Frankfurt gesehen haben, war das komplette Unverständnis für unsere Gesellschaftsordnung. Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung. Indem die Vandalen unsere Polizei angriffen, unsere Fahrzeuge anzündeten und unsere Straßen und Häuser beschädigten, unsere Freiheit beschränkten, negierten sie alles, wofür wir arbeiten.

Zwei Mal „wir“, und fünf Mal „unser“. Wen meint der Russe?

Wir, das sind wir Unternehmer, wir Journalisten, wir Studenten und wir Arbeiter. Wir, die wir versuchen, eine gesellschaftliche Ordnung aufzubauen, die auf Diskurs statt auf Gewalt beruht.

So viele Wirs erinnern mich an Freddy Quinn (der übrigens auch Migrant war) und seinen gleichnamigen Hit aus den Sechzigern, mit dem der WELT-Artikel viel gemeinsam hat (was kein gutes Licht auf den Artikel, die WELT und den historischen Augenblick wirft, in dem „wir“ uns gerade befinden). Bezeichnend ist, dass jemand, der in Russland geboren ist, so gerne „wir“ sagt, wenn er in einer deutschen Zeitung über seine gelungene Deutschwerdung schreibt. Die ganze Gesprächssituation erinnert an einen Kindergeburtstag bei der gesitteten Kleinfamilie, zu dem diverse Schulfreunde eingeladen sind. Während der eigene verzogene Sohn nebst anderen Bürgerssöhnchen im Wettrülpsen bei Tisch brilliert, lechzt das vernachlässigte Migrantenkind mit frühreifer Zurückhaltung nach der Anerkennung der fremden Eltern. „Der Filipp ist ja so ein netter Junge“, heißt es dann später gerechterweise. So einfach ist das. Warum also „für Gerechtigkeit demonstrieren“? Gerechtigkeit durch Anpassung heißt die Devise. Und wer sich nicht anpasst ist selber schuld.

Ist man dem Kindergeburtstag entwachsen, bieten sich immer weitere Autoritäten zur Darmerkundung an: am besten kriecht man dem Chef in den Arsch. Der mag das. Wenn man, wie unser Autor, noch studiert, kann man auch dem ganzen deutschen Staat in den Arsch kriechen, indem man sich ihm in der WELT als Musteruntertan empfiehlt. Das wäre die abstrakte Variante: Deutschland als eine Art ideelles Arschlochsurrogat. Dem provinziellen Misstrauen, das man nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu jeder europäischen Nation nahezu jedem Migranten entgegenbringt, tritt der integrationsgeile Einwanderer respektive Rektalimmigrant nie durch Vernunft, eigennützige Schläue, Selbstorganisation oder einen (manchmal leider nur gefälschten) Mittelfinger entgegen, sondern durch übersteigertes Imitieren landesüblicher Neurosen und Hyperventilieren staatstreuer Bekenntnisfloskeln. (Und bevor man mir nun unterstellt, ich würde mit djihadistischen Parallelgesellschaften liebäugeln, souffliere ich den weniger Abstraktionstüchtigen beziehungsweise Antideutschen unter meinen Lesern: dass es bequem denkbar ist, als Migrant weder ein Djihadist noch ein Arschkriecher zu sein.) Freddy Quinn kann nachgerade als Urahn bundesrepublikanischer Rektalimmigration gelten und unser WELT-Ökonom als sein Enkel.

Zum Inhalt der zitierten Sätze ist wenig zu sagen was nicht schon gesagt wäre. Dass man in der Politik inzwischen nur noch dann „wir“ sagt, wenn man es besser weiß oder ein Nazi ist, hat sich herumgesprochen. Chefs sagen gerne „wir“, wenn sie mit ihrem Humankapital reden. Oder Präsidenten, wenn sie „unser“ Land „ein gutes Land“ nennen, damit keiner auf die Idee kommt, es ginge ihm schlecht. Im großen phantastischen Wir gibt es nichts, was nicht rein diskursiv verhandelbar wäre: man kann über alles reden. Aber man kann nicht alle überzeugen. Polizisten nicht, Soldaten nicht, Kapitalisten nicht: für die sind die öffentliche Ordnung, der Befehl oder der Mehrwert gänzlich unverhandelbar. Und damit müssen ‚wir‘ uns abfinden. Sonst sind ‚wir‘ Diskursfeinde. Wer darauf beharrt, dass seine Meinung wahrer sei als eine andere, ist ein Gegner der freien Meinungsäußerung. Diese Grenze ist gewissermaßen diskursextern. Auch was verhandelbar ist ist es oft nur scheinbar: Gehälter zum Beispiel vor allem nach unten. Entscheidet man sich etwa im demokratischen Diskurs für die doch gar nicht abwegige Position, dass es klasse wäre, wenn ein paar ausgebrannte Alleinerziehende einmal einen zwanzigfach erhöhten Lohn erhalten sollten, um sich damit ein Jahr zu erholen – also selbst schon eine billige sozial-demokratische Anbiederung – wird man erleben, wie offen die bürgerliche Diskurswelt und wie permeabel die angrenzende demokratische Realität dafür ist. Dass die „gutbürgerlichen“ „Vandalen“ „alles“ „negierten“ „wofür wir arbeiten“, was auf Einzelne in Frankfurt sogar zutreffen könnte, wäre da doch endlich eine gute Nachricht. Das wird man ja wohl noch negieren dürfen im Diskurs!

Nein, darf man nicht. „Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung“ gehört ebenso in die Diskursquarantäne wie jenes finstere Hirngespenst, das noch immer in manchen Vandalenköpfen umgeht – der Kommunismus. Denn:

Meine Eltern, die in der Sowjetunion geboren wurden und dort aufwuchsen […] kommen aus einem Land, das sich dem Antifaschismus verschrieben hatte und das seine Bürger maßregelte, unterdrückte und sie in ihrer Freiheit einschränkte wie kein anderes. Das war und ist Kommunismus.

Treffen sich zwei Staatsmänner und reden über Freiheit. Sagt der eine: „Ich höre, es sieht schlimm in eurem Land aus. Viele Menschen sitzen jahrelang in Gefängnissen oder werden gefoltert.“ „Ja, das stimmt“, erwidert der andere, „alle Verbrecher haben wir eingesperrt, damit das Volk in Ruhe leben kann. Ich höre aber, dass es bei euch viel finsterer zugeht. Ihr hört Millionen von unbescholtenen Bürgern ab und überwacht sie und bringt täglich Menschen ohne Gerichtsverhandlung um.“ „Das könnte sein“, antwortet der erste darauf, „aber das sind alles Terroristen. Wir sorgen nur für die Sicherheit der Unschuldigen.“

Es stimmt, dass die Sowjetunion ein Land war, in dem auch nicht mehr Menschen ihre Individualität entwickeln und genießen konnten als in der westlichen Demokratie, was nun einmal das Programm des Kommunismus bleibt. Den sehr richtigen Hinweis, dass die Sowjetunion nicht der Kommunismus „war und ist“, den schenken wir an dieser Stelle all jenen, die sich von der bürgerlichen Demokratie Selbstbestimmung und Genuss erhoffen… Denn eine Herrschaftsform, die bei den Beherrschten nicht einmal die alleruntersten Stufen der Bedürfnishierarchie wie Nahrung, Wohnen, Wärme, Schlaf, Sicherheit und soziale Akzeptanz abzudecken vermag, von der sollte man kaum erwarten, dass sie dafür garantiert, dass man ein gutes Leben hat. Stattdessen fördert und verlangt sie einfach von Staats, Schule und Medien wegen all jene Illusionen, die sich gerade auch Migranten über ihre Chancen auf Erfolg und Zufriedenheit machen. Die beliebteste und falscheste dieser Illusionen lautet etwa: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er will.

Das ist fast immer falsch.

Richtig ist dagegen genauso oft: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er verdient. –

Wie heißt es doch auf Evangelischen Kirchentagen immer so schön:

Danke für meine Arbeitsstelle. Danke für jedes kleine Glück.

 

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Musterbewerbung

29 Sonntag Jun 2014

Posted by dwrkollektiv in Arbeitswelt, Der psychologische Überbau, Gasttexte, Stilblüten & Hirnbluten, Utopie

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Jan-Cäsar Hansel

Einheitsgasse 5

43210 Amarschen

Mobil: 0815 / xx xxx xx xx

Mail: adventure_guy8924@dream.biz

McHinz Unlimited AG

McHinz-Unlimited-Platz 1 – 32

D-05111 McHinzenhausen

Amarschen, den 24.12.2019

Powerjob1 im Bereich Rest Room Management

Eure Anzeige im Job-Portal LEBE DEINEN TRAUM! ® vom 24.12.2019

 

Lieber Mitarbeiter, liebe Mitarbeiterin, liebe Trans-, Non- und Postgender,

hiermit möchte ich mich auf eure spannende Anzeige bewerben, nach der ihr für die Europazentrale der McHinz Unlimited AG einhundert Powerjobber im Bereich Rest Room Management sucht.

Ich arbeite bereits seit acht Monaten als staatlich geförderter Powerjobber bei einem renommierten Marktforschungsunternehmen, wo ich bei der primären Datenerhebung insbesondere im Segment Hygieneartikel tätig war. In dieser Eigenschaft war ich unter anderem an der Produktentwicklung des preisgekrönten Hygienepapiers Senator Symphony extrasensitiv® beteiligt und habe außerdem den europaweit führenden Keramikhersteller OSIRIS bei der Markteinführung der Wasserspülung Night inVenezia® unterstützt. Zuvor war ich drei Monate Mitglied eines hochmotivierten Powerjobber-Teams bei der Gebäudereinigungsfirma Karnowsky & Söhne im Zukunftsbundesland Mecklenburg-Vorpommern®, wo ich Erfahrungen in der Beseitigung auch hartnäckigster Exkrementrückstände (beispielsweise von Stadttauben) sammeln durfte. In 2018 habe ich überdies als einer von 8.000 ausgewählten Teilnehmenden der bundesweiten Initiative DURCHSTARTEN MIT HOCHSCHULABSCHLUSS! des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Psychiatrie als Altenpflegehilfskraft in mehreren Lebensabendhäusern und Demenzresidenzen in der Uckermark, der Niederlausitz und den Ostwaldecker Randsenken unter anderem für die börsennotierten Unternehmen EXITUS ESCORT und MINDLESS HAPPINESS gearbeitet. Mit großem Interesse habe ich dabei die abwechslungsreichen Tätigkeiten in der Altenpflege, wie das Austauschen von Windeln, Bettpfannen, Laken und Kathetern, kennen gelernt. Nicht zuletzt habe ich langjährige Erfahrung in den Bereichen Home Cleaning, Personal Faecal Administration und Darmspiegelung (passiv).

Ich möchte erwähnen, dass ich bereits im vorvergangenen Jahr im Rahmen des Auswahlverfahrens für Hygienehilfskraftanwärter an dem von der McHinz Unlimited AG veranstalteten Assessment-Center Be a Hinz!® teilgenommen und dieses mit der Wertung Triple-B: A Hinz for Life abgeschlossen habe, obwohl ich durch einen dummen Zufall beim Haischwimmen in der letzten Runde verletzt wurde und das Auswahlverfahren wegen eines Klinikaufenthaltes leider nicht abschließen konnte.

In diesem Zusammenhang darf ich hinzufügen, dass ich als Diplom-Volkswirt (Abschlussarbeit zum Thema „Positive Auswirkungen eines unbeschränkten Leistungswettbewerbs auf die Situation der Arbeitskräfte“, Note 1,7) mit den ungeschminkten Tatsachen der Konkurrenzgesellschaft gut vertraut bin und daher durchaus Verständnis für die zuweilen kritisierten Methoden der McHinz AG habe, mit deren Leitbild – Work hard! Live wild! – ich mich voll und ganz identifiziere. Den beliebten Slogan I am Hinz! You are Hinz! We are Hinz!® habe ich stets wörtlich genommen und schon früh zu meiner ganz persönlichen Lebensphilosophie gemacht.

Meine ausgesprochen methodische Arbeitsweise in Verbindung mit einem radikal lösungsorientiertes Vorgehen möchte ich als meine größten Stärken bezeichnen. Sie waren auch bisher der Schlüssel zu meinem beruflichen Erfolg. Weitere herausragende Qualitäten sehe ich in meinem realistischen Blick auf Problemsituationen und in meinem Talent, Mitarbeitende auch für scheinbar weniger attraktive Aufgaben zu begeistern. Loyalität, Konzeptionsstärke und Natriumhydrogensulfat sind für mich keine Fremdwörter! Die Position als Hygienehilfskraft bei McHinz Unlimited sehe ich als konsequenten Schritt im Hinblick auf meine berufliche und persönliche Verwirklichung.

Die angesetzte Arbeitszeit von 75 Stunden pro Woche passt mir als Single sehr gut. Auf mein Gehalt in Höhe von 0,95 € pro Stunde werde ich selbstverständlich den Tarifvereinbarungen gemäß während der ersten 18 Monate keinerlei Rechtsansprüche erheben. Die Zahlung der von McHinz Unlimited errechneten Anstellungs-, Einarbeitungs- und Betriebsgebäudenutzungsgebühren in Höhe von monatlich 187,99 € werde ich jeweils am Ersten des Monats leisten. Ein entsprechender Kredit bei der Sozialbank der Warmherzigen Brüder AG ist mir bereits gesprächsweise zugesagt worden.

Ab dem 1. Januar bin ich jederzeit für einen Neubeginn bei der McHinz Unlimited AG verfügbar. Mein großer Wunsch ist es, in einigen Jahren als Rest Room and Garbage Management Trainee ein Teil der McHinzschen Unternehmenskultur zu sein.

Schließlich muss ich darauf hinweisen, dass ich als Träger einer Oberschenkelprothese zu achtzig Prozent schwerbehindert bin, was sich jedoch keineswegs als leistungsmindernd auswirkt, sondern im Gegenteil überdurchschnittliche Problem solving Skills mit sich bringt: meine sogenannte ‚Behinderung‘ begreife ich als alltägliches Resilienz-Training, für das ich sehr dankbar bin, und als Ansporn zu kreativen Problemlösungen.

Über eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch oder zur erneuten Teilnahme am Assessment-Center Be a Hinz!® würde ich mich sehr freuen.

Mit motivierten Grüßen,

Jan-Cäsar Hansel

 

 

ANLAGEN:

1 Motivationsschreiben

1 Lebenslauf

1 Diplom in Volkswirtschaftslehre (Gesamtnote 1,3)

6 Zertifikate div. Weiterbildungen (u. a. Mentaltraining, Leben ohne Geld, Suizidprävention)

9 Zwischenzeugnisse

14 Praktikumsbescheinigungen

1 Verschwiegenheitserklärung

1 Testament

 

Zu meiner Motivation im Bereich Rest Room Management

 

Ich hatte schon immer eine besondere Neigung zu weißen Fliesen. Dieser Glanz, der, geradezu unauslöschlich, noch in einer Neumondnacht von polierten weiß gefliesten Wänden ausgeht, sowie ihre einzigartige haptische Beschaffenheit, weicher als Metall, doch mit mehr Entschlossenheit als Holz, rational und elementar zugleich, lösen in mir Glücksgefühle aus, für die ich mitunter belächelt worden bin. Bereits in Kindertagen habe ich viele Stunden in großer Zufriedenheit damit verbracht, schmutzige Kacheln zu scheuern. Da mein Vater in der Fleischereibranche tätig war, gab es stets Anlass dazu. Das Erlebnis, wie durch den Akt der Reinigung das Wesen der Fliese allmählich ans Licht trat, gerade wenn sie zuvor kaum mehr als Fliese zu erkennen gewesen war, wie der anfängliche Ekel vor dem Schmutz in ein universales Behagen mündete, in dem nicht nur die Fliese, sondern auch mein Geist sich zu Klarheit und Reinheit zu erheben, ja die Welt in einem weißen Polierglanz zu schimmern schien, das weckte in mir ein Triumphgefühl angesichts dieser Metamorphose von krustigem, blutigem Schleim in männliche Vernunft, als hätte ich selbst teil am Akt einer göttlichen Beseelung. Eine Fliese zu scheuern schien mir nicht weniger zu bedeuten als einen Stein, der aus dem Gemäuer des Kosmos gefallen war, wieder dort anzubringen, wo Gott selbst ihn angebracht hatte. –

Auf der anderen Seite berührt mich Schmutz auf ebenso besondere, erklärungswürdige Weise. Ich pflege ihm gegenüber eine geradezu epische Feindschaft, insbesondere gegen seine gröbste, widerlichste, unerträglichste Ausprägung – das Exkrement. Das Exkrement ist der finstere Herrscher über den Unrat in allen Erdteilen, und der Kot die Lepra unter den stofflichen Dingen. Mein Hass auf Exkremente ist die Triebfeder all meiner Handlungen, und meine Gedanken sind nahezu ununterbrochen von Exkrementen beherrscht. Wenn ich Zeitung lese, stoße ich häufig auf Wörter, die mein unermüdlicher Reinigungswille mir vorspiegelt, wie Rechtsexkremisten, Genexkremente, Exkremenzminimum,Urinalgenie,Exkremenzinitiative und Top-Exkremenz. Dies ist keineswegs ein pathologisches Symptom, wie man mir versichert hat, sondern lediglich eine normale Erscheinung bei überaus leistungsbereiten Menschen.

Meine Leistung, von der ich mir wünsche, sie künftig in den Dienst der McHinz AG stellen zu dürfen, ist das Entfernen von Schmutz mit Exkrementcharakter, und meine Bereitschaft zu dieser Leistung ist eine eiserne Entschlossenheit, alles Exkrementale und Exkrementartige, alles Kotige und Urinale, kurz sämtliche Absonderungen des gastroenteritischen Organkomplexes rückstandslos und ohne jedes Zögern zu eliminieren und alle mit derlei Substanzen in direkten oder indirekten Kontakt gekommenen Bauteile zu polieren, zu desinfizieren und zu desodorieren.

Rest Room Manager ist für mich kein ehrenrühriger Beruf. Die Verdauung ist ein sehr viel wesentlicheres Element des Menschseins als Algorithmen oder das interne Rechnungswesen. Hygiene ist die Grundlage unserer Zivilisation, und die Tätigkeit einer Hygienefachkraft ist unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft, die ohne das Engagement von Menschen wie mir im Kot versinken müsste. Mit Bürste und Flüssigreiniger steht der Rest Room Manager an den Toren der bestehenden Ordnung. Ich wäre stolz und dankbar, diese dienende Funktion mit all meiner Kraft auszufüllen. Darminhalt ist für mich kein Tabu, das Wort „Arschkriecher“ für mich keine Beleidigung. Ich sehe mich als Dienstleister im Rektalbereich. Scheiße ist mein Leben!

 

 

 

1 Anm. d. Hrsg.: Im Zuge der ‚Neuen Sozialen Arbeitsmarktreform‘ von 2018 wurden die bis dato in Deutschland als ‚Ein-Euro-Jobs‘ bekannten Arbeitsverhältnisse in sog. ‚Power-Jobs‘ umbenannt.

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Eine Anekdote aus der Frühzeit der Occupy-Bewegung

25 Samstag Aug 2012

Posted by dwrkollektiv in 'was mit Medien, Das Elend der Demokratie, Der psychologische Überbau, Stilblüten & Hirnbluten, Utopie

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Kürzlich, auf einer Zugfahrt von Berchtesgaden nach Bielefeld, sitzen zwei Occupy-Aktivisten hinter mir im Abteil und bilanzieren nach seiner Auflösung durch die Polizei ihre Zeit in jenem berühmten Frankfurter Protestcamp, das die Hedgefondsmanager unserer Galaxie erzittern ließ. Wie inzwischen schon sozialwissenschaftlich erforscht, nimmt der Optimismus in den jüngeren Generationen hierzulande ja proportional zur Komplexität der gesellschaftlichen Probleme zu, von denen sie betroffen sind. Ich wundere mich daher nicht über die in einem halben Dutzend Praktika und Coachings eingeübten Formulierungen, mit denen man auch Blähungen oder einen Mittagsschlaf zu einem „eindeutigen Entwicklungsereignis“ oder einer „unmittelbaren Erfahrung“ emporschwafeln kann. So ist denn auch die ganze gedanken- und ergebnislose Pfadfinderei vor den unbehelligten und unbegriffenen Banken am Main und überall sonst „schon eine superwichtige Sache“ gewesen, „die auf jeden Fall Türen geöffnet“ hat – von denen man vielleicht auch gar nicht sagen können muss, wohin sie einen führen. Türen sind ja spätestens seit den psychedelischen Sechzigern, die auch schon gerne gezeltet haben (Big Sur, gleich neben Thoreaus Behelfstoilette), an sich schonmal eine super Sache. Türen sind jedenfalls besser als Banken. Türen sind Bewegung. Und so weiter…

Anstatt mich hier dem Tod noch ein paar Stunden weiter zu nähern, indem ich die Thesen unbedachter Studierender, die mal auf den Putz hauen, aber nichts, vor allem nicht sich selber schmutzig machen wollten, rezensiere, tue ich lieber meine monatliche gute Tat und spare meinen LeserInnen gleichfalls Lebenszeit, indem ich die ganze Chose auf Anekdotengröße zurechtschrumpfe. Eine Anekdote aus der Frühzeit der Occupy-Bewegung sozusagen – et voilà:

 

Baron Jakob Rothschild kommt eben aus der Pariser Börse, als ihm ein Sozialist in den Weg tritt.

„Wenn der Sozialismus kommt“, meint der Mann, „wird man Sie enteignen und Ihr Vermögen an das Volk verteilen!“

Rothschild kramt in seiner Tasche. „Wir sind vierzig Millionen Franzosen“, erwidert er, zieht ein Geldstück hervor und gibt es dem Sozialisten: „Hier ist Ihr Franc.“

 

In diesem Sinne wünsche ich einen revolutionären Feierabend!

 

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„Kritik“

27 Freitag Jul 2012

Posted by dwrkollektiv in Das Elend der Demokratie, Der psychologische Überbau, DWR-Lexikon, Illusionsbruch, Stilblüten & Hirnbluten

≈ Ein Kommentar

 

Kritik ist das Lieblingswort aller Kritiker. Ich vermute: je allgemeiner und radikaler ihre Kritik, desto häufiger benutzen sie es und desto mehr betonen sie den Wert der einschlägigen Tätigkeit. Ein linksradikaler Kritiker, der seinen Lektürekanon erst unvollständig abgearbeitet hat, wird in Anbetracht der prompten und billigen Publikationsmöglichkeiten, die ihm heute zur Verfügung stehen, noch bevor er das Kritisieren (oder Kritisiertwerden) geübt hat – Kritik üben, öffentlich und fundamental und mit den besten Gefühlen. Allein daraus, dass ein Mensch Kritik übt, kann er sich schließlich schon eine Art Kampfposition und -mut zuschreiben, erst recht wenn er „Kritik“ im von linken Kritikern für linke Kritiker eigens aufgewerteten Sinne einer prärevolutionären Blaupause der Universalrettung alles Rettenswerten betreibt. Und das, selbst wenn die von ihm kritisierten Personen seine Kampfansage nie bemerken, geschweige auf sie reagieren werden, wovon die meisten Linken (und alle anderen Sprachrohre einer der zahllosen Gegenöffentlichkeiten, so recht sie vielleicht haben mögen) mit großer Sicherheit ausgehen können. Der Kritiker zieht sich die Rüstung an und – bleibt zuhause. „Da hab ich diese reaktionäre Bagage aber wieder grunddoll kritisiert heute“, kichert er am Abend an der Seite seiner Partnerin, Mutter oder Meersau. An solchen Abenden hat er keinen Schatten mehr, so schrecklich hat er’s dem armen gegeben…

Einen Konflikt auszufechten, mithin Vorwürfe zu präzisieren, Gegenargumente abzuwehren oder aufzunehmen und in eine neue rationale Angriffsposition zu wenden, die sich gegen falsche und von Privatinteresse korrumpierte Aussagen nachvollziehbar durchsetzt – das wäre Kritik, die den Namen verdiente. Die „Kritik“, die sich vor allem diesen Namen gibt, ist davon leider sehr verschieden. Sie ist die Ein-Zimmer-Beschäftigungsnische geistig hyperaktiver Organisationssingles. Eine Art R.E.M.-Schlaf. Diese „Kritik“ hat kein Gegenüber, sie hat keinen Konflikt, sie hat keine Wirkung; sie trägt nicht das Risiko in sich, aufgerieben oder widerlegt zu werden, und nicht die Möglichkeit, einen faktischen Sieg zu erringen. Sie hat von all dem nur den Namen. Dieser Name, den die „Kritik“ trägt, ist ein strategischer Klang, die sprachliche Simulation eines sozialen Kampfes, er militarisiert den Frieden, dem man weiterhin anhängt, obwohl man ihn geringschätzt: kompensiert also den Konflikt, den man de facto nicht mit anderen, sondern mit der eigenen, wirkungslosen Situation hat!

„Kritik“ ist eine diskursive Heroisierung der Harmlosigkeit, die quasi-monologische Kriegserklärung einer Linken, die ihre Hoffnung auf Sieg längst aufgegeben hat, eben weil sie sehr gut weiß, dass ihre „Kritik“ Veränderungen außerhalb der Sprechergruppe kaum bewirken kann. (Hier beißt sich die Harmlosigkeit in den Schwanz, sie wird schmerzhaft – mag sie sich selbst aufwecken und begreifen, warum es schmerzhafter sein kann, harmlos als schmerzhaft zu sein.)

 

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KONKRET – The Best and Worst of 6/2012

16 Montag Jul 2012

Posted by dwrkollektiv in 'was mit Medien, Antideutsche, Das Kapital, Produktionsbedingungen, Stilblüten & Hirnbluten

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Die linke Illustrierte „KONKRET“, halb antideutsches, halb undogmatisches Meinungsmagazin, das seine teils gelungenen Stilbemühungen um Politik und Kultur kreisen lässt und dabei den weniger glanzvollen konkret-ökonomischen Komplex meist links liegen lässt, nichtsdestotrotz aber regelmäßig lesenswerte Beiträge enthält, hat im Heft 06/2012 beide Pole seines Qualitätsspektrums exemplarisch präsentiert. In dem Artikel „Noch fünf Jahre“ des Journalisten und Bloggers Tomasz Konicz über die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Ökologie, der ebenso weitsichtig wie detailgenau, in Stil wie Logik frappierend klar und treffend ist, kann man die Überzeugungskraft marxistischer Kritik, die Argumente konsistent vom ökonomischen Einzelfaktum bis zur Endzeitentwicklung des Planeten spannend, wie unter Glas bestaunen. Das geht? Aber ja:

„Um die notwendige energetische Infrastruktur für eine regenerative Energiewende bereitzustellen […], wären allein in der BRD Investitionen von Hunderten von Milliarden Euro notwendig. Diesen enormen Aufwendungen steht aber keine entsprechend massive Verwertung von Arbeitskraft in den regenerativen Branchen gegenüber, die diese mit Hilfe eines zunehmenden staatlichen Steueraufkommens finanzieren könnte. […] Kurz: der Spätkapitalismus ist zu produktiv für eine Energiewende. […] Das Kapital ist aufgrund der Notwendigkeit permanenter Verwertung das logische Gegenteil einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise, die notwendig wäre, um ein Überleben der menschlichen Zivilisation zu sichern.“

Noch Fragen? –

Neunzehn Seiten später stößt man dagegen auf einen jener Aufsätze, mit dem sich der aus der Arbeitslosenstatistik in eine provisorische Duldungsnische vorgelagerte geisteswissenschaftliche Mittelbau sporadisch seine gesellschaftliche Relevanz vorlügen will. Karin Stögner und Karin Bischof heißen die beiden Autorinnen einer im Gutachterinnentonfall gehaltenen Enthüllungsarbeit zum nie abkühlenden Thema Antisemitismus – hier des Antisemitismus österreichischer Printmedien im Kontext der Berichterstattung über die „Finanzkrise“ (die von den Autorinnen eben so genannt wird, obwohl sie an anderer Stelle zurecht die künstliche Trennung der Kapitalakkumulation in Produktions- und Spekulationssphäre kritisieren). Sagen wir es mal ganz gemein und ohne damit sagen zu wollen, dass der Antisemitismus kein immer noch und immer wieder wichtiges Problemfeld der Vermenschlichung der Menschheit wäre: Welche(r) Junglinke will schon Artikel über den EU-Fiskalpakt verfassen? Die hierfür notwendige Anhäufung von Kenntnissen behindert natürlich nur die Karriere als Mitarbeiter prominenter Szeneblätter. Ein dankbares Thema ist dagegen der Antisemitismus. Zehn Stunden Selbstschulung genügen, und man hat das so ungefähr raus, worum’s da geht: „daß unter Finanzkapital ein abstraktes, nicht an einzelne Personen zurückzubindendes Machtverhältnis zu verstehen ist“, das hat der Antisemit natürlich nicht verstanden. Und los geht’s schon mit der Kritik! Tausendfach den eigenen Mitstreitern und Lesern erläutern und erklären was die auch alles zur Genüge kennen und schon selber ausartikeln könnten, immer im sicheren Wissen, dass andrerseits die, die das nicht wissen, es auch nicht verstehen würden, selbst wenn man es ihnen sagte, was man ja deshalb gar nicht erst tut, oder selbst wenn sie es verstehen könnten, sie es ja nicht verstehen wollten, weil sie eben Antisemiten sind nicht aus Gründen, sondern aus Ursachen, die gar nicht diskutabel, sondern nur abschaffbar sind – in dieser sadomasochistischen Selbstbeschränkung schlägt der antiantisemitische Komplex der radikalen Linken seine Freizeit und anderer Leute Geduld tot. A propos Geduld – Zitat:

„Antisemitische Erklärungsmuster versuchen die österreichischen Medien bei der Krisendarstellung möglichst zu vermeiden.“

Mit diesem Satz beginnt die Auswertung der Daten. Ohne die österreichischen Medien in Schutz nehmen zu wollen – steht da nicht, dass es eigentlich gar nichts auszuwerten gebe? Nicht ganz. Da steht, dass die Medien antisemitische Erklärungsmuster vermieden: es gibt sie also, diese Muster, innerhalb des Erklärungsprozesses, also „bei der Krisendarstellung“ der österreichischen Medien, sie werden eben nur „vermieden“. Jetzt will man als naiver Leser bloß noch erfahren, woher die Autorinnen trotzdem das Wissen nehmen, dass hier Antisemiten am Werk sind, die ihre eigenen Erkärungsmuster, die sie als Antisemiten ja haben müssen, nur aufgrund eines „durchgängig wirksamen Tabu[s]“ unterdrücken – fast möchte man sagen ‚unterschlagen‘. (Ist Unterschlagung von Antisemitismus nicht vielleicht ein noch größerer Angriff auf die kritisierende Vernunft als Antisemitismus?) Was sind das aber auch für perfide Medien in Österreich! Weiter im Text:

„Mit Ausnahme des auflagenstärksten Blattes, der ‚Neuen Kronen Zeitung‘, hat man sich vor offenem Antisemitismus gehütet; man vermied Stereotype wie ‚raffgierige Juden‘ oder ‚Weltjudentum‘, ja selbst die bloße Erwähnung von Juden oder Judentum im Zusammenhang mit der Krise unterblieb.“

Ist denn das die Möglichkeit? Die Medien in Hitlers Heimat erwähnen nicht einmal mehr Juden im Zusammenhang mit der Krise? Wie kann man sich als Antisemit denn diese Gelegenheit entgehen lassen! Ja selbst die allergeringsten Anzeichen eines enthüllungstauglichen Judenhasses haben sich diese Naziblätter erdreistet nicht zu drucken!

An die Stelle des schnarrenden Antisemitismus aus den Zeiten dieselgetriebener Kriegsmaschinerien scheint ein Nano-Judenhass getreten: unsichtbar und tausend Mal gefährlicher… Oder hat der Klassenfeind schlicht unsre schöne Dialektik ausspioniert und spiegelt nun damit die eigne Barbarei in den Anschein der Zivilisation zurück beziehungsweise umgekehrt (so ähnlich hätte Adorno das wohl gesagt…).

Aber im Ernst und bei aller Solidarität mit den verfehlten Zielen der Autorinnen – diese dümmlichen Feststellungen, mit denen das Ergebnis der Untersuchung antizipiert wird, treffen auf jeden Text zu, der nicht nachweisbar antisemitisch, also auch gar nicht antisemitisch ist. Anders gesagt: die Untersuchung war ergebnislos. Den einzigen Unterschied zwischen den zitierten Sätzen und dem Satz „wir haben halt leider nichts gefunden“ stellt die implizite Unterstellung der Kritikerinnen dar, dass es im Textkorpus Antisemitismus geben müsse. Voreingenommenheit macht also das „Ergebnis“ dieser wissenschaftlichen Studie aus; „enthüllt“ wird nichts sonst als der schon vor dem Suchen in die untersuchten Texte und Medien hinein geargwöhnte Judenhass, der überhaupt erst einen Artikel, seine Publikation in KONKRET und die Versorgung der LeserInnen mit Alarmstimmung und aktuellen Gründen für ihre kritischen Hobbies zur Folge haben kann. Undenkbar, in KONKRET zu schreiben: „Eigentlich gibt es gar nicht mehr so viel Antisemitismus in Texten österreichischer Printmedien.“ Jede(r) Linke weiß, dass das nicht stimmen kann.

Genau das lässt sich aus dem Artikel aber trotzdem schließen. Drei mehr oder weniger antisemitismuskompatible Äußerungen werden zitiert, eine davon aus einem Leserbrief, der tatsächlich „unkommentiert“ (!) geblieben sei – also auch der verantwortliche Zeitungsmensch ein Antisemit (und sicher auch sein Chef) – und das bei einem Untersuchungszeitraum von 2009 bis 2011 und einem Korpus, das sieben Tages- und Wochenzeitungen umfasst! Felix Austria…

„Wohl aber fanden sich im Rahmen der allgemeinen Krisendarstellungen häufig Erwägungen, die auf der semantischen und argumentativen Ebene Assoziationen zu antisemitischen Stereotypen wachriefen, ohne den Zusammenhang zu explizieren.“

Mit diesem unheimlichen Satzgespinst (direkt folgend auf obiges Zitat) umschreiben die Autorinnen ihren positiven Befund. Und man muss es sich genau anhören, wie hier, wo eigentlich präzisiert werden will, im Wortsinne umschrieben, umkreist, umschlichen und umstammelt wird. Erwägungen fanden sich – schon zu Beginn ein recht vages Wort, das den Urheber mit einer Verwarnung davonkommen lässt – die nicht unbedingt… ja wie soll man sagen… so geradeheraus antisemitisch, primär oder auch sekundär, waren sie eigentlich nicht, nein, sie riefen da nur etwas wach – bei wem? doch wohl nur bei unseren bereits der Unterstellung verdächtigen Autorinnen – und was riefen sie da wach? – ein antisemitisches Stereotyp doch hoffentlich endlich? – na ja, noch nicht ganz… sie riefen eigentlich nur Assoziationen zu antisemitischen Stereotypen wach – Assoziationen, ja, die sind so eine Sache (es gab schon Leute, die Kleeblätter mit Atomkriegen assoziiert haben, was soll man jetzt damit anfangen?) – ein recht uneindeutiger Weg wird hier im Unbewussten eines recht unbekannten Subjektes zum Antisemitismus beschritten – – so geht also progressive Aufklärung im weiten Gewande der Wissenschaft bzw. so fällt sie. Und ganz nebenbei noch: so unpersönlich-objektiv ist die Perspektive der Autorinnen (na, hat da jemand seinen Adorno nicht richtig gelesen?), dass die Ergebnisse nicht etwa von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen gefunden wurden, sondern gar ‚sich fanden‘ – kaum eine intellektuelle Aktion war hier vonnöten. Erst recht keine weniger intellektuelle, nämlich gänzlich subjektive und unredliche: Unterstellung also.

Zweierlei lässt sich aus diesem traurigen Artikel schlussfolgern:

1. Die Kritik des Antisemitismus scheint entweder in der Heimatregion des Holocaust momentan nicht allzuviel zu tun zu haben oder sich mit den falschen Äußerungen zu beschäftigen; im Übrigen sollte sie noch einmal an ihrer ‚wissenschaftlichen‘ Methodik feilen. Aber das ist auch ein Problem der Geisteswissenschaften insgesamt.

2. Auch ganz doll dagegene Blätter wie KONKRET liefern journalistisch reproduzierte „Fakten“ zur Befriedigung der Lesererwartungen und lassen sich damit nicht ausnehmen vom Geschäftsmodell aller Printmedien. Wahrheit ist dann ein Kompromiss zwischen journalistischen Konventionen und vermutetem Konsumentenpsychogramm. Aber nein, ich übertreibe. Würde KONKRET tatsächlich auf Umsatzsteigerung statt Aufklärung zielen, gäbe es wieder nackte Mädels auf dem Cover…

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Familie contra Klassenkampf oder Die Rolle meiner Szenekneipe in der Weltrevolution.

09 Montag Jul 2012

Posted by dwrkollektiv in Antideutsche, Das Kapital, Der Essayismus des 21. Jahrhunderts, Der psychologische Überbau, Gasttexte, Metatexte, Stilblüten & Hirnbluten

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Schlagwörter

Antideutsche, Identität, Linke, Solidarität

 

Ein Interview mit Viktor Vladimirowitsch Starogin* über Probleme der Linken

DWR: Genosse Viktor Vladimirowitsch –

Starogin: Ich grüße euch, Genossen!

DWR: Wir freuen uns, endlich einmal mit dir über diejenigen Fragen sprechen zu können, die uns und unsere Leserschar sicher sehr viel mehr interessieren als die bekannten neunundneunzig Prozent.

Starogin: Leider, ja.

DWR: Also über Fragen der Wirtschaft, gestellt aus einer nicht auf Effizienz und Umsatz eingeengten Perspektive…

Starogin: Gegen Effizienz habe ich gar nichts. Man sollte nur wissen, in welche Richtung sie geht. Die Perspektive, von der ihr sprecht, ist nicht in einem intellektuellen Sinne eingeengt oder sogar dumm – sie ist es vor allem in einem quantitativen Sinne, weil sie lediglich die Interessen einer Minderheit vertritt. Die entgegengesetzte Perspektive, die wir vertreten, ist einfach die Perspektive der Mehrheit der Bevölkerung auf diesem Planeten und damit, in einem mittelbaren Sinne, sogar aller Menschen – was die erste Sichtweise letztlich dann doch dumm macht.

DWR: Die Mehrheit der Bevölkerung würde uns da aber nicht zustimmen.

Starogin: Mit dieser Erwägung fängt das geistige Elend schon an. Die Mehrheit der Menschen würde auch nicht zustimmen, wenn man ihnen sagte, dass Nukleinsäuren wichtiger für ihr Wohlbefinden sind als Geld, Alkohol und Geschlechtsverkehr zusammen.

DWR: Zugegeben.

Starogin: Was für Menschen wichtig, ja notwendig ist hängt nicht von ihrer Zustimmung ab. Was objektiv wichtig ist für einen Menschen, das läuft ohnehin, sagen wir mal, unterhalb eines durchschnittlichen Bewusstseins ab. Was sich der Herr Mensch so dazu denkt, das hat geringen Einfluss auf sein Rückenmark, bildlich gesprochen.

DWR: Der Zustand unserer Gesellschaften legt nahe, dass die Menschen kaum zu wissen scheinen, was für sie wichtig und notwendig ist.

Starogin: Natürlich nicht. Ärzte, Lehrer, Ingenieure und andere für den quasi physischen, objektiven Erhalt einer Gesellschaft wesentliche Personen richten sich nicht nach Meinungen und Zustimmungen, sondern nach dem Stand der Wissenschaften, in denen sie ausgebildet worden sind. Und bestenfalls werden dort keine Meinungen ermittelt, sondern Tatsachen.

DWR: Unsere Perspektive, die wir in diesem Gespräch vertreten möchten, ist also einfach eine Perspektive der Tatsachen?

Starogin: Wissenschaftlicher Sozialismus, ja.

DWR: Ist das nicht ein bisschen simpel, sich einfach auf das Faktische zu berufen?

Starogin: Es ist kein bisschen simpel, wir haben es nur simpel ausgedrückt. Es gibt zahllose Tatsachen, die gegen die Marktwirtschaft sprechen, überprüfbare, unleugbare, bezifferbare Tatsachen. Erst auf der Grundlage dieser Belege kann man für eine andere Gesellschaftsform überhaupt argumentieren. Erst kommen die Fakten, dann die Utopie. Erst das Konkrete, die Erfahrung, dann das Argument, das sie zitiert. Und bei diesem Vorgang des Erkennens geht es nicht um die Mehrheit, sondern um die Wahrheit. Mehr nicht. Oder, theologisch formuliert: Auf Erden sind wir Bettler, im logischen Raum aber sind wir Könige, denn wir haben die besseren, die meisten, die kritischsten Argumente.

DWR: Da haben wir aber doch ein Grundproblem des Kommunismus…

Starogin: Die Freiheitsfrage?

DWR: Genau.

Starogin: Wieso? Jede nützliche Wissenschaft hat dieses „Grundproblem“ und löst es auf ihre Art: indem sie die Wahrheit und ihre Folgen präsentiert und sie die Leute spüren lässt oder umgekehrt den Leuten die Begriffe gibt, die dazu, was sie schon spüren, passen. Kein Mensch zweifelt an der Kariesbehandlung, wenn er die segensreichen Folgen selbst erfahren kann. Wenn Freiheit Leiden bedeutet, muss sie geheilt werden. Wahrheit im sozialistischen Sinne ist ebenso erfahrbar wie medizinische Wahrheit – ohne den Vergleich zu weit treiben zu wollen. Der Schmerz hört auf oder zumindest: das Befinden bessert sich, das einmalige Geschenk des Lebens wird ernst genommen. Der Mensch gibt seine Freiheit freiwillig für die Dauer der Behandlung ab – anders gesagt: er bleibt frei.

DWR: Wie soll das gehen, wenn man den Arzt an der Behandlung hindert?

Starogin: Indem der verhinderte Arzt Schmerz und Behandlung erklärt, und nach hundert Quacksalbern, die seine Schmerzen nur verschlimmert haben, wird der Patient den neuen Arzt verlangen.

DWR: Und das ist dann die Revolution?

Starogin: Ja, warum nicht?

DWR: Aber wie kommt der Patient zum Arzt? Wie entsteht eine Mehrheit für den Sozialismus?

Starogin: Tja. Gar nicht.

DWR: Gar nicht?

Starogin: Unter den jetzigen ökonomischen Verhältnissen ist es unmöglich, eine Mehrheit vom Sozialismus oder auch nur vom notwendigen Versagen der Marktwirtschaft zu überzeugen. Die bestehenden Machtverhältnisse machen Aufklärung doch inzwischen zu einem Glücksfall bei Einzelnen. Die meisten Kapitalismusinsassen erwerben sich im Laufe eines 80-jährigen Lebens keineswegs das nötige Vorwissen, um die Gesellschaftsordnung zu begreifen, in der sie gelebt haben.

DWR: Kannst du da eine Zahl nennen oder ist das nur pessimistische Intuition?

Starogin: Kürzlich lese ich von einer Umfrage, nach der 55 % der Deutschen Merkels Sparkurs in der sogenannten ‚Euro-Krise‘ unterstützen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist also für die Unterdrückung der Bevölkerung – wenn auch vorerst der nichtdeutschen Bevölkerung am Mittelmeer. Die Mehrheit der Menschen im Westen vertritt in vielerlei Fragen Meinungen, die ihren Interessen konträr zuwiderlaufen. Es sind folglich nicht ihre Meinungen.

DWR: Sie sind beeinflusst im Sinne der Profiteure.

Starogin: Natürlich. Wer die Ressourcen hat bestimmt die öffentliche und zunehmend auch die private Meinung. Die meisten Menschen nehmen ihre Informationen in Form von Überschriften und Kurzmeldungen hegemonialer Medien wahr. Da ist weder Platz für detailliertes Argumentieren noch für grundlegend abweichende Perspektiven. Das sind Peitschenhiebe für Scheuklappengäule, nichts sonst. Sie denken nicht, sie werden gedacht. Sie fühlen nicht, sie reagieren auf gesetzte Reize. Der BILD-Leser etwa ist ein Pawlowscher Konsument, mehr nicht. Der Mensch dem Menschen eine Laborratte! Das kann man ja schön bei Adorno nachlesen, der in den Vierzigern noch dachte, er übertreibt mit seiner Kulturkritik. Heute ist sie eher untertrieben, und das heißt etwas.

DWR: Was ist mit alternativen Medien?

Starogin: Welche denn? Generell sind die doch meist noch schlimmer! Die haben dann, jenseits von Publikum und Auflage, die Narrenfreiheit, in obskuren Meinungsnischen ihre eigene Verwirrung zu pflegen und treiben so mit ihren Privatideen den letzten Rest an Realitätskontakt und journalistischer Seriosität aus. Verwirrung ist hingegen fast schon ein pharmazeutisches Produkt in einer Gesellschaft, in der die Vernunft dazu dient, Rentner auszuhungern, systematisch den Planeten zu zerstören und Angestellte möglichst gründlich um ihre Lebenszeit zu bringen.

DWR: Gut, wir grenzen die Frage auf sozialistisch und kommunistisch orientierte Medien ein…

Starogin: Von den 1000 Leuten, die sie lesen, überzeugen die 0,01 % (ja, das ist nur eine intuitive Zahl). Weil schlicht niemand sie aufschlägt, der nicht schon ihre Überzeugungen teilt und eben Konsument seiner eigenen gedruckten Überzeugung ist. „Gegenstandpunkt“, „Junge Welt“, „Konkret“ und was weiß ich wer noch alles halten höchstens ein paar Gefährten bei Laune, Tendenz sinkend. Das ist kein Funke, der in die Scheune überspringt – eher ein paar zerstrittene Wüstenmäuse inmitten einer Elefantenstampede. Das – wohl verstanden! – ist keine inhaltliche Wertung, sondern nur eine Abschätzung der Effizienz solcher Medien.

DWR: Also egal, wer was wo schreibt: unter den herrschenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist eine Mehrheit gegen die Marktwirtschaft oder für eine humanere Gesellschaft – wie auch immer man sie nennen mag – ausgeschlossen?

Starogin: Da bin ich mir leider sicher. Wer schreibt ist doch ohne Einfluss, was er schreibt ebenfalls – wichtig sind nur die Leute, die ihn oder sie bezahlen. Die bestimmen über die Verbreitung, die Präsentation und damit letztlich über die Durchsetzungskraft eines Gedankens. Zahlungskräftige, einflussreiche Leute finanzieren nur selten ihre eigene Abschaffung. Das ist ein hoffnungsloser Krieg. Und übrigens, was heißt da „Mehrheit“? Selbst zwanzig Prozent wären schon ein Märchen. Inzwischen haben sich derartige Monopole an Geld und Einfluss emporakkumuliert, dass deren Gewicht die ehemals so genannten ‚Progressiven‘ oder ‚Alternativen‘, also Staats- und Marktfeinde, die ernstlich die politökonomische Ordnung in Frage stellen, tief unter die 0,5-Prozent-Hürde drückt. „Nonkonformismus“ scheint mir inzwischen schon eine Floskel aus den Poesiealben merkwürdig menschlicher Jahrzehnte zu sein…

DWR: Nehmen Subkulturen, progressive und regressive, nicht eher zu?

Starogin: Ja, die patriarchalische Subkultur nimmt unter jungen Männern aus islamischen Familien zu. Und weiter?

DWR: Ist das kein Nonkonformismus?

Starogin: Soll das ein Witz sein? Wenn ich mich einer weltweit herumplärrenden Strömung von hasserfüllten Phalluskriegern anschließe, ist das genau das Gegenteil von individuell und nonkonform. Subkulturen sind das ja nur, wenn überhaupt noch irgendwo, in nichtislamischen Ländern. Nonkonformisten können sich nicht auf Staaten berufen, die ihre Meinung womöglich mit Atomwaffen unterstützen, und auch nicht auf Aufmerksamkeitsmonopolisten wie den Deutschen Fussballbund zum Beispiel. Und selbst wenn – was heißt das schon, ein Nonkonformist zu sein? Damit fängt alle Vernunft zwar an, aber für sich genommen ist das trotzdem noch Dummheit. Sogenannte ‚Subkulturen‘ sind doch kollektive Kulte, sonst nichts. Irrationale, rückschrittliche Kompensationen der Tatsache, dass im Kapitalismus die Konkurrenz die soziale Währung ist, in der kommuniziert wird. Nehmt nur Anhänger jedweder Jugend- und Musikkulturen – das sind kollektive Anpassungsrituale, gemeinsame Bäder in der Ähnlichkeit, die alle teilen wollen – kurz narzisstische Privat- und Intimveranstaltungen, selbstidentifikatorischer Gruppensex. Selbst wenn die nonkonform wären, wäre damit ja nichts gewonnen, da sich diese Nonkonformität in ästhetischen Fragen erschöpft und keineswegs nach außen wirkt in die gesellschaftliche Dimension. Selbst politische Subkulturen sind ja oft Lifestyle-Biotope, deren Anhänger und Anhängerinnen auch nicht anders leben als ihre Eltern und Nachbarn – und oft nicht einmal anders denken. Jede Sub- oder Gegenkultur oder Szene, oder welchen Namen man auch immer finden mag für diese eng abgegrenzten und sich abgrenzenden Identitätskommunen, hat ihren Zweck in der Zugehörigkeit, in Nestwärme, nicht in Aktion. Das gilt auch für linksradikale Zirkel. Man kann nicht von ihnen verlangen, raus ins Freie zu stolpern: Unterm Druck der großen wilden Welt ist der Einzelne von ihnen hilflos und die Gruppe immer viel zu klein, um zu bestehen. Das sind Gesinnungsfamilien, aber keine gesellschaftlichen Bewegungen.

DWR: Du hältst also nichts von den Hoffnungen gewisser Linker auf eine Art aufgeklärtes subkulturelles Bewusstsein?

Starogin: Ich halte von den Hoffnungen nichts, und von diesen gewissen Linken halte ich noch weniger. Nur weil man eine schwuler jüdischer Punk aus Peru ist, steht man noch nicht auf der richtigen Seite – wenn ihr das damit meint.

DWR: Kommt diese Faszination nicht einfach aus der Parteinahme für das Proletariat, die Opfer der Geschichte, die Geknechteten?

Starogin: Vielleicht. Diese Parteinahme, wie ihr sagt, ist im übrigen nicht mehr als eine Parteinahme für die zugleich verkannten eigenen Interessen. Der dandyhafte Applestudent mit Markenschuh und Style-Bewusstsein ist ein Proletarier, ob er das Wort mag oder nicht. Die Solidarität mit jenen scheinbar fernen Menschen, die meist mehr leiden als diejenigen, die dieses Leiden beschreiben, und für die man das Wort ‚Unterschicht‘ erfunden hat, um die privilegierteren Proletarier eine Stufe höher, in der ‚Mittelschicht‘ ansiedeln zu können, ist von der Solidarität mit dem prekären herumapplenden Nachbarn, der mit mir am Starbucks-Tischchen um ein paar Klicks konkurriert, doch nicht verschieden. Solidarität ist eine Kardinaltugend jedes Sozialisten – das heißt: jedes Menschen, der noch einer sein will. Aber Solidarität heißt nicht, die Denkweisen der Lumpenproletarier zu fetischisieren, wie es meinetwegen der elternfinanzierte Berliner Jungmarxist tut, wenn er daherkommt und sich nach einer Pasoliniphase durch ein paar schaurig-jämmerliche Milieus ethnologisiert, um diese ach so exotischen Erfahrungen unter Glas mit nach hause zu nehmen, darüber zwei Artikelchen zu schreiben und sich als Hornbrillenrebell auf der Seite der Gequälten zu inszenieren. Das ist auf den Kopf gestellte Spießigkeit. Wer oben ist lügt, aber wer ganz unten ist hat auch nicht recht. Demütigung ist keine gute Aufklärerin.

DWR: Wer oder was ist denn eine gute Aufklärerin?

Starogin: Die richtigen Begriffe an der richtigen Stelle, also leider auch der Zufall und die Krise. Man muss die Theorie deshalb lebendig halten – und das glaubt im Grunde jeder Marxist heute, jeder in seiner eigenen Gegenöffentlichkeit – für jenen historischen Moment, in dem die plötzliche, ungeahnte Gelegenheit ihre Verbreitung und Anwendung ermöglicht.

DWR: Eine Art Kairos also?

Starogin: Genau. Marxismus ist wohl zu einem großen Teil heute die Hoffnung auf diesen Kairos.

DWR: Ohne Hoffnung geht es nicht?

Starogin: Ohne Hoffnung beginnt der Zynismus. Der Marxismus ist eine kollektive, nicht unkomplizierte Erkenntnisanstrengung mit einer mehr als hundertfünfzigjährigen Erfahrungs- und Argumentationsakkkumulation – niemand, der hoffnungslos und zynisch ist, beteiligt sich an so etwas.

DWR: Hoffst du denn auf eine mögliche Revolution?

Starogin: Früher sagte man immer „die Revolution“, das hat sich jetzt also schon zu „einer Revolution“ abgeschwächt; sie ist schon in die Ferne gerückt und nicht mehr so genau erkennbar…

DWR: Es geht uns jetzt nicht darum zu bestimmen, was für eine Revolution genau damit gemeint sein könnte, sondern vielmehr um die Frage, ob die derzeitige Krise, die im Rahmen der Marktwirtschaft kaum noch zu bewältigen scheint, Hoffnungen auf eine revolutionäre Aneignung der Produktionsmittel bei dir nährt.

Starogin: Nein, überhaupt nicht.

DWR: Warum nicht?

Starogin: Weil ich, wie schon gesagt, die herrschenden Ideologien für viel zu verbreitet und verankert halte. Mit zunehmender Kapitalakkumulation und damit zunehmender Krisenhaftigkeit unserer Gesellschaftsordnung offenbart sich zwar immer mehr die Tatsache, dass dieses Wirtschaftssystem nicht mehr zu retten ist, übrigens nie zu retten war, weil es nichts ist als die Organisation krisenhafter Widersprüche auf vielen Ebenen seiner Wirksamkeit; zugleich aber mit dieser Problemphase des Kapitals findet erwartbarerweise eine ideologische Mobilmachung statt, die im selben Maß verstärkt werden muss, in dem die Ängste der Menschen innerhalb dieses Systems anwachsen. Die Masse wird erfolgreich daran gehindert, eine abstrakte Wirtschaftsordnung für die gesellschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen und nach einer, zunächst, ebenso abstrakten Antwort auf diese Probleme zu suchen. Angst verhindert Abstraktion. Dann muss nur noch für jedes einzelne Problem eine andere Scheinursache ‚beworben‘ werden und schon sind die Produktionsmittel mittelfristig gesichert. Statt also ihren Zorn auf die marktwirtschaftlichen Mechanismen zu lenken und das ökonomische System anzugreifen, werden die Menschen in ihrer ideologischen Zurichtung die inneren Konflikte der Gesellschaft forcieren, die sich ja in vielen Staaten nicht erst seit kurzem zuspitzen. An die Stelle des Klassenkampfs treten Kämpfe innerhalb der gleichen Klasse, entlang kultureller und Identitätsgrenzen. Wir kennen die Sündenböcke und Strohpuppen alle, gegen die sich dann wieder einmal die grölende Stimme des Volkes richtet – „Juden“, „Zigeuner“, „Schmarotzer“, „Nestbeschmutzer“, Andersfarbige, Andersgläubige, Anderslebende und Andersdenkende. Teile und herrsche! Das haben sich nicht die Kapitalisten ausgedacht, nein, es hat sich günstigerweise so aus dem Konsumismus entwickelt, dass wir alle lästernde Egoisten geworden sind, die nur ihre persönlichen Träume zu retten versuchen und aus ihrer engen, leidenden Privatheit gar nicht mehr herauswollen, weil sie alles andere für noch schlimmer halten. „Mich erwischt es schon nicht, ich bin besser als die anderen“ oder „Wir stehen zusammen gegen die da gegenüber“ – das sind alles Scheinfronten, die den Frieden sichern. Das Kapital duckt sich indessen ängstlich, aber sicher hinter alle diese Sandsäcke der Volksverblendung.

DWR: Was ist deiner Meinung nach die Folge davon? Wird man die Demokratie opfern, um das Kapital zu retten?

Starogin: Ich kann nicht hellsehen. Aber warum sollte man nicht – erst recht, wenn es niemandem auffallen würde? Der Fall Griechenland zeigt, dass die Demokratie zumindest noch ein unvorhergesehener Störfaktor sein könnte. Doch den Betreuern des Kapitals ist da gewiss schon etwas eingefallen, um besser auf Störungen durch den Ungehorsam der Bevölkerung vorbereitet zu sein. Die Stärkung der EU-Institutionen, die momentan im Gespräch ist, geht ja schon in diese Richtung; da herrscht dann eine supranationale Verwaltung über die ohnehin schon nicht mehr repräsentativen nationalen Parlamente und verlängert so den Weg von den Wählern zu den Entscheidern noch einmal erheblich.

DWR: Du hast eben gesagt, auch linksradikale Gruppierungen seien keine gesellschaftlichen Strömungen, sondern…

Starogin: Gesinnungsfamilien!

DWR: Genau. Kannst du diese Metapher vielleicht argumentativ ein bisschen auffüttern?

Starogin: Aber gern. Die Familie bildet im sozial erkaltenden Spätkapitalismus immer mehr die Solidaritätsgrenze des Einzelnen, also diejenige Sphäre, über die seine Mitmenschlichkeit nur noch selten hinauskommt. Das sieht man schön in amerikanischen Filmen – Filme sind ja laut Žižek die reinsten Abbildungen herrschender Ideologien – in denen der Familienvater einen wahren Massenmord anrichten darf, nur um seine Kleinfamilie zu beschützen, und am Ende damit noch als Held dasteht. – Was tut also der verunsicherte Kleinbürger angesichts von atomarem GAU, Klimaschäden, Arbeitslosigkeit und Krisenpolitik? Er sucht sich ein gebärwilliges Weibchen, feiert einen feudalen Hochzeitstraum, zeugt weitere Kleinbürger, verschanzt sich in einem burgähnlichen Eigenheim, vor dem er vielleicht noch seine Nationalflagge aufzieht, und fährt pünktlich mit einem allradgetriebenen Wehrfahrzeug durch feindliches Gebiet ins Büro seines Ausbeuters.

DWR: Gut, aber was…

Starogin: Moment! Eine Gesinnungsfamilie verhält sich sehr ähnlich, nur statt auf materieller auf immaterieller Grundlage, das heißt sie pflanzt sich weder natürlich fort noch bildet sie eine Gütergemeinschaft. Sie basiert lediglich auf einer gemeinsamen Gesinnung, die in der Regel gegen die materiellen Gruppenbildungen gerichtet ist, die den Normen der Gesellschaft entsprechen. Ein Gesinnungsbund ist die zweitstärkste Gruppenbindung in unserer ökonomischen Umgebung. Wer keine Familie gründen kann oder will muss sich eine Gesinnungsfamilie suchen – eine Szene, eine Subkultur, irgendeinen Identitätspakt – deren Bande umso stärker sind, je weiter sich die Gesinnung von der Allgemeinheit entfernt. Nur so wird jene Abgrenzung und Eingrenzung geschaffen, die nach innen eine gewisse Geborgenheit gewährleistet, also das Gefühl, vertraut, geschützt, gekannt und anerkannt zu sein. Freundschaften gibt es ja praktisch nicht mehr; sie sind ephemer und unbehaglich. Keiner hat mehr Zeit für sowas, keiner kann und will sich noch an ein halbes Dutzend Menschen binden, die ständig umziehen oder Überstunden machen oder – schlimmer noch – gar nicht mehr arbeiten. Was bleibt sind Familie und Ehe, die physisch und ökonomisch funktionieren, so dass man für sie weniger Zeit und Verständnis als für Freundschaften opfern muss, ohne ihr Zerbrechen zu riskieren – und eben diese Gesinnungsbündelei gegen den Zeitgeist, die ja eindeutig zunimmt. Der inzwischen wieder salonfähige Nationalismus in Deutschland hat bei seiner Wiedererstehung seit den 90er Jahren übrigens genau davon profitiert, gegen einen Zeitgeist gerichtet zu sein, der ihn zu problematisieren schien. – Solche Identifikationsfamilien sind der einzige Weg aus der Isolation, wenn man sich keine Familie leisten kann oder will: so viel soziale Wahlfreiheit hat man also im Kapitalismus; genau so viel und kein bisschen mehr!

DWR: Linke Gruppen funktionieren also als soziale Wärmequelle, als immaterieller Familienersatz?

Starogin: Ja, und wie echte Familien auch stellen sie die Solidaritätsgrenze ihrer Mitglieder dar.

DWR: Soll das etwa heißen, es gibt keine Mitmenschlichkeit gegenüber Außenstehenden?!

Starogin: Es gibt keine Sympathie, kaum Empathie, wenig Verständnis und auch keinerlei Versuche, derartige soziale Qualitäten zu aktivieren. Die Mitglieder der Gesinnungsgruppe bestärken sich untereinander natürlich vor allem in ihrer Abgrenzung, Distanz und Differenz. Offenheit ist nicht erwünscht, sie würde ja den sozialen und emotionalen Zweck der Vereinigungen nur stören.

DWR: Ist das deine Deutung der chronischen Zersplitterung der Linken?

Starogin: Es ist eine mögliche Deutung. Aber diese Zersplitterung gilt nicht nur für die linke Szene, sie gilt für alle anderen politischen und unpolitischen Gegenkulturen genauso.

DWR: Bleiben wir trotzdem bei der linken Szene, um deine Deutung vielleicht noch etwas weiterzuführen. Wir alle wissen, wie spinnefeind die zahlreichen oder besser zahllosen Gruppierungen einander sind. Für Marxisten sind alle Nichtmarxisten Analphabeten, die erstmal in die Lesegruppe müssen; hat man aber Marx gelesen, muss man immer noch entscheiden, ob man sich traditionellen Marxisten, Vertretern der neuen Marx-Lektüre, Postoperaisten, Wertkritikern oder anderen Postmarxisten zugesellt; für Anarchisten sind das alles autoritäre Vereine und für Antideutsche ist ohnehin der ganze Rest der Welt außer ihnen selbst, Israel und den USA eine antisemitische Volksfront, die bombardiert gehört, während sie ihrerseits bei vielen als Rassisten gelten…

Starogin: Ja, sie alle sind verliebt in ihre Gleichheit, die sich von allen Anderen scheinbar so sehr unterscheidet, und verachten jeden, der nicht ganz genauso ist wie sie selber. Also auch hier: narzisstische Identitätskommunen und Distinktionsclubs. Je größer die Gleichheit nach innen und je kleiner der Kreis, desto größer die Differenz nach außen – und umgekehrt. Beides erhöht den Familien-Effekt, das Angenommensein und die Bestätigung zugleich von Einzigartigkeit und Zugehörigkeit. Gesellige Auserwähltheit: noch der hirnrissigste Irrenzirkel kann einer Person Zutritt zu dieser euphorisierenden Gefühlssituation verschaffen. Psychosoziale Strategien also, aber sicher keine gesellschaftlichen Strömungen sind solche Gruppierungen.

DWR: Entkräftet das denn ihre politischen Aussagen?

Starogin: Das kommt darauf an, worauf sich die jeweilige Aussage bezieht. Wenn man sie als Mittel zur Abgrenzung interpretieren kann, dann ja, wenn nicht, dann nein. Das Marxsche „Kapital“ wird in seinen Grundüberlegungen natürlich in keiner Weise dadurch entkräftet, dass ein paar Studenten durch die gemeinsame Lektüre ihr fades Selbstgefühl aufpeppen wollen. Was mir allerdings immer wieder auffällt ist die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen diesen Polit-Clubs meist übertrieben werden, die Abgrenzung wird argumentativ und rhetorisch quasi-militarisiert. Der politische Nachbar oder meinetwegen auch Gegner kommt nie unter der schlimmstmöglichen Beschimpfung weg, es werden ausschließlich Höchststrafen verhängt. Besteht etwa das maximale Verdikt einer Gruppe darin, dass jemand antisemitisch ist – klar, dann ist der politische Gegner und sind alle andersartigen politischen Gruppierungen der Linken natürlich immer wieder „antisemitisch“. Die jeweiligen Begründungsmuster, warum das richtig ist und sein muss, besorgt die Propagandaabteilung der Gruppe qua Presseperiodikum. Der einzige Sinn vieler solcher Organe besteht dann darin, die Familienstrategie der Abgrenzung theoretisch zu verbrämen, zu rationalisieren also. Das meine ich damit, wenn ich sage, dass die Solidarität linker Gruppen, deren gemeinsames Erbe ja die Solidarität ist, kaum mehr über die eigene Identitätsnische hinauskommt. Und noch innerhalb dieser Nischen entstehen neue Nischen, bis jeder bald sich selbst in seiner Privatnische begraben lassen und die Distinktionsstrategie ihr verdientes dialektisches Ende im Solipsismus gefunden hat. Das ist dann die endgültige Bestätigung der herrschenden Verhältnisse durch das isolierte, abgestorbene Subjekt.

DWR: Hat die Linke aus diesem Grund keine gesellschaftliche Relevanz mehr?

Starogin: Das ist wohl ein Teil des Grundes, wobei ich hier nur einen psychologischen Erklärungsversuch ihres Gruppenverhaltens in der bestehenden historischen Situation gebe. Also: die Isolierung des Individuums in einer auf Konsum und Konkurrenz gegründeten Gesellschaft fördert die Entstehung narzisstischer Wahlfamilien und damit auch die Abschottung linker Gruppierungen, das wäre meine erste These dazu. Ökonomischer formuliert: die Privatheit der Produktion setzt sich in der Privatisierung des Politischen fort. So. Es bedarf aber noch einer zweiten These. Man sollte einmal darüber nachdenken, warum die Unterschiede zwischen linken Gruppierungen von diesen selbst stets und systematisch übertrieben werden, ohne dass jemals Kompromisse auch nur erwogen würden. Ein Kompromiss wird generell als Verrat an der eigenen Gruppe und Verfälschung der eigenen Wahrheit gewertet, niemals aber im Sinne eines Erkenntnis- oder Organisationsfortschritts, obwohl man letzteres ja nicht schon vorher ausschließen kann. Warum ist das so? Woher dieser Eifer? Und was bewirkt er letzten Endes? Ich kann nicht glauben, dass die enorme Beliebtheit rücksichtsloser Polemik nur als Abgrenzungsstrategie interpretierbar ist. Nun, ich denke, dass damit jede Kooperation schon im Vorhinein verhindert werden soll und zwar deshalb, weil jedem Linken klar ist, dass Kooperation der einzige Weg zu Praxis und politischer Wirksamkeit ist.

DWR: Das scheint mir jetzt ein Widerspruch zu sein…

Starogin: Es ist kein Widerspruch, weil meiner Einschätzung nach die überwiegende Mehrheit der Linken politisch und praktisch gar nicht wirksam sein will.

DWR: Du zählst die Occupy-Bewegung nicht zur Linken?

Starogin: Doch. Ich sprach ja deshalb auch von einer überwiegenden Mehrheit der linken Gruppen – die Occupy-Bewegung, die ihre Bekanntheit und Aktivität noch aus dem Schwung des Anfangs bezieht, ist eine der wenigen Strömungen, die vor allem auf politische Praxis zielen, leider zuungunsten der theoretischen Vorformulierung ihrer Absichten. Sie zeigt damit zugleich, dass es nicht nur schlechte Gründe gibt, dabei nicht mitzumischen.

DWR: Es gibt nicht nur schlechte Gründe – das ist klar – aber deiner Meinung nach wohl vor allem schlechte Gründe gegen Aktivismus?

Starogin: Das kann man doch nicht so allgemein beantworten! Was habe ich gesagt? Ich fasse einmal zusammen: die meisten linken Gruppierungen sind Wahlfamilien, die ihre Differenzen zu politischen Nachbarn maßlos überhöhen, um ihre Identitätsbaracken nicht verlassen und in einen solidarischen Klassenkampf ziehen zu müssen – der freilich auch andere, ganz und gar nicht psychologische Nachteile bedeutete. Die Rationalisierung dieser Nesthockerei funktioniert immer nach demselben Muster. Ich zitiere: „Nein, das sind Rassisten / Antisemiten / Sexisten / Feministen / Leninisten / Trotzkisten / Bellizisten / die haben ‚Das Kapital‘ nicht systematisch / nicht historisch / rein akademisch / unakademisch interpretiert / die haben eine autoritäre Diskussionskultur / die pinkeln im Stehen / die mögen keine Zwölftonmusik / die halten Denundden für ein Genie / einen Volltrottel / die interessieren sich nicht für Ökologie / sind Ökofaschisten / essen Fleisch / sind vegane Spinner / haben das Widerstandpotential der Popmusik nicht erfasst / die sehen sich Pornos an / sehen sich keine an / die beziehen sich auf Bücher aus dem Verlag X, obwohl das derselbe Verlag ist, der vor zehn Jahren in einem Sammelband einmal eine Rede von Y abgedruckt hat, der ja erwiesenermaßen ein Rassist / Antisemit / Sexist / Trotzkist / Bellizist / Stehpinkler ist, was man in unserer Clubgazette Z nachlesen kann. Die verstehen also nicht ansatzweise, worum es in dieser ganzen Scheiße eigentlich geht! Was zu tun ist und so. Deshalb kann man mit denen nicht reden oder zusammenarbeiten. Jeder Kompromiss mit denen wäre reaktionär / faschistoid / antisemitisch / rassistisch / sexistisch / trotzkistisch / bellizistisch / wie wenn man erst Fleisch isst und danach im Stehen pinkelt etc. und damit unvertretbar. Das sind Leute, die bekämpft werden müssen!“ Dieses Muster beinhaltet eine vielleicht nicht bewusst, aber akzeptiert unrealistische Forderung nach Reinheit der Lehre, die als Ausrede für mangelnde Praxisorientierung benutzt wird. Nur wenn alle den von der eigenen Gruppe mehr oder weniger einheitlich erreichten Grad an Erkenntnis und dogmatischer Reinheit erreicht haben, kann man erst beginnen, gemeinsam – was in diesem Falle gar nicht mehr hieße ‚gemeinsam‘, sondern eben einfach ‚wie eine Person‘ – gegen den eigentlichen Gegner vorzugehen, nämlich den Kapitalismus, in dessen Analyse sich komischerweise viele unterschiedliche Gruppen in grundsätzlichen Punkten (Scheinpolitik, Krisenhaftigkeit, Verarmung, Umweltzerstörung, globale Ausbeutungszusammenhänge, ideologische Nebenwirkungen, Kriege usw.) einig sind. Dabei ist jeder einzelnen Gruppierung klar, dass es NIEMALS dazu kommen wird, dass auch nur die Hälfte aller Linken ihrer eigenen Dogmatik beipflichten oder die auch nur dulden wird – sie, die jeweilige Gruppe selbst ist ja ein Beleg der Gründe und Mechanismen, die sie ebenso wie die anderen daran hindern. Die Beseitigung inhaltlicher Unterschiede – notabene nur bei den anderen! – ist also ein nicht erreichbares Scheinziel, das man sich setzt, um das wirkliche Ziel, nämlich die Ablösung der bestehenden Verhältnisse, dessen Erreichung das Erreichen des Scheinziels strategisch vorgeschaltet ist, gar nicht erst ansteuern zu müssen, weil es weniger amüsante Konsequenzen haben könnte.

DWR: Das Scheinziel der inneren Einigung ersetzt also das Hauptziel des Widerstandes nach außen?

Starogin: Genau so ist es. Die innerlinken Unterschiede werden im Laufe der Auseinandersetzungen für einige Grüppchen wichtiger als die Kritik am bestehenden System, das damit ja perpetuiert wird. Man könnte also gleich das ganze Kritisieren und Polemisieren sein lassen, der politische Effekt wäre wahrscheinlich der gleiche. Aus dem Widerstand, für den sich in früheren Zeiten Kommunisten haben foltern und ermorden lassen müssen, ohne dass sie ihn aufgegeben hätten, wird ein pubertäres Spiel mit Codes und Fahnenwörtern, das nichts und niemanden weiterbringt außer dem eigenen Ego. Ich schließe daraus, dass für ebendiese Gruppen das bestehende System dann eben einfach nicht das drängende Problem ist. Es ist ganz okay so. Starbucks, Internet, Gratisfilme, ab und zu einen durchziehen und über ein paar Leute lästern, zur Not halt auf Hartz IV, alles easy. Es fehlt in Deutschland die persönliche Betroffenheit, die Widerständler in anderen, härteren Zeiten und an anderen Orten so mutig, aber auch so kaltblütig gemacht hat und immer noch macht. Was dann vom linken Studenten in Germanien in seinem Blog eifrig kritisiert werden kann.

DWR: Zu bemängeln, dass jemand wie Max Hoelz ein Kommunist von anderem Schlag war als wir Wohlstandskritiker heute, heißt zugleich, den Wohlstand bemängeln, weil er uns noch nicht kaltblütig gemacht hat. Das ist weder eine haltbare Kritik noch etwas Neues…

Starogin: Nein, aber vielleicht sollte es dennoch einmal wieder gesagt werden: für zumindest einige  linke Gruppen ist es offensichtlich wichtiger, die eigene Identität in einem streitbaren sozialen Zusammenhang zu verwirklichen als eine andere Gesellschaft, in der sie womöglich nicht mehr die Lufthoheit über ihr privates Ideenreich genießen könnten, sondern die Wahrheit mit anderen teilen müssten. Vergemeinschaftung, Gleichheit, Solidarität – schlimme Vorstellungen für Linke…

DWR: Im Spätkapitalismus hat sich also, etwa zwischen dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Durchschlagen der gegenwärtigen Krise auf die sogenannten Mittelschichten in Deutschland, eine Situation entwickelt, in der Angehörige linksradikaler Randgruppen von den individualistischen Optionen der Konsumgesellschaft psychologisch und privat so sehr zu profitieren scheinen, dass Angriffe auf diese Gesellschaft in den Hintergrund getreten sind. Würdest du das so unterschreiben?

Starogin: Nein. Denn die Individuen profitieren nicht von diesem Individualismus, nicht einmal scheinbar. Die Konsumgesellschaft bietet keinerlei ‚Optionen‘, die nicht am Ende Zwänge wären. Der und die Einzelne macht dabei Verlust. Um zugleich auf euren Einwand von eben zurückzukommen: Linksradikale heute können und wollen sich vom Konsumismus natürlich nicht ausschließen. Wie  sollten sie auch? Entscheidend ist aber, ob sie seine Optionen erweitern wollen – oder ob sie mit diesem Schmalspurindividualismus zufrieden sind. Ob sie ihre Gegenwart in dieser pseudohedonistischen Zwangsgesellschaft ideologisch verklären und genießen können – oder ob ihnen das richtige Bewusstsein dazwischenkommt und eine Identifizierung mit den ‚Optionen‘ dieses Beglückungssystems dauerhaft verhindert. Das ist doch die Frage, das ist doch der Unterschied, auf den es ankommt!

DWR: Konkret?

Starogin: Ob sie sich also mit der Filterlosen im einen und einem verbalen Distinktionsbeweis im anderen Mundwinkel in der Berliner Szenekneipe schon dermaßen lebenskönnerisch und solitär vorkommen, dass es in einer alternativen Gesellschaft gar nicht mehr besser für sie laufen könnte. Diese Selbstverliebtheit, die typisch ist für unsere Gesellschaft, in der jeder glaubt, dass man sich für ihn interessieren müsse, zugleich aber keiner sich für den anderen interessiert und niemand diesen Widerspruch überhaupt bemerkt – dieser Narzissmus, der die gesellschaftliche Bedrohung, die mögliche Zerstörung des geliebten Selbst so völlig verkennt, verdrängt oder vergisst, weil die alltägliche Zerstörung fremder ‚Selbste‘ ja nicht in dieselbe Kategorie fällt, das ist heute der Wendepunkt vom vielleicht richtigen zum ganz sicher falschen Bewusstsein, von der Vernunft zur Ideologie, von der Kritik zur Affirmation, vom Menschen zum Konsumenten, vom Sozialisten zum Sozialdemokraten, vom Linksradikalen zum Bohemien und in jedem Fall zum Vollidioten!

DWR: Was bedeutet das bezogen auf die Zersplitterung der Linken?

Starogin: Das bedeutet, dass der wahre Individualismus, den zu vertreten überhaupt erst die Existenzberechtigung der Linken ist, sich nicht in Apple-Produkten und irgend bestehenden Identitätsangeboten verwirklichen kann, sondern einzig und allein auf dem Weg des Klassenkampfs. Das heißt durch die Ablösung immer rigiderer Zwänge der Marktgesellschaft durch eine vergemeinschaftete Produktion. Punkt. Dahinter geht kein Weg zurück, der aus Unterwerfung und Lebensmüdigkeit herausführen soll. Und das muss und kann man auch begreifen!

DWR: Und Gruppen, die das nicht begreifen, wären für dich also keine Kooperationspartner?

Starogin: Soll das eine Fangfrage sein?

DWR: Nur ein Bemühen um Präzision.

Starogin: Das käme auch hier auf den konkreten Fall an, auf die begriffliche Ausgangssituation der Gruppe, ihre Ziele, ob man diese dem Klassenkampf unterordnen könnte oder sie davon herleiten könnte und so weiter. In den allermeisten Fällen kann man das. Das ist ja der Witz an der Geschichte…

DWR: Danke für deine verlustreich in unser Blog investierte Lebenszeit.

Starogin: Danke ebenso. Wieder ein Schritt weiter auf dem Weg zum profitlosen Dasein…

 Musik wird eingespielt:„Vorwärts und nicht vergessen, / worin unsere Stärke besteht! / Beim Hungern und beim Essen, vorwärts nie vergessen: / die Solidarität!“

* Name von der Redaktion geändert

 

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Intensivstation Literaturkritik

24 Samstag Mrz 2012

Posted by dwrkollektiv in Stilblüten & Hirnbluten

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bonner general anzeiger, martin walser

In seinem nächsten Werk ‚Das 13. Kapitel‘ soll es denn auch um die Unmöglichkeit der Anpassung gehen – wobei Walser eigentlich weiß: ‚Wenn du kein Virtuose im Vergessen bist, verblutest du auf der Intensivstation Erinnerung.‘

So schreibt jemand, der ein erotisches Verhältnis zur eleganten Formulierung pflegt. Und jene ‚Leichtigkeitsschwere‘, die er Goethe nachrühmt, gelingt Martin Walser scheinbar mühelos.

 

(Hartmut Wilmes im „Bonner General-Anzeiger“ vom 24./25.03.2012)

 

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