Notizen und Vermischtes

31.8.14 (‚Mit dem GTI durch die USA mit ABS für RTL…‚): In der freien Welt bedeutet Freiheit viel – und für jeden etwas Anderes. Statt mit Karl Marx zuzugeben, dass Freiheit im Kapitalismus de facto gar nicht mehr heißt als dass der Lohnabhängige (im Unterschied zum Leibeigenen) seine Arbeitskraft selbst verkaufen darf und übrigens auch muss, erdichtet sich jeder gute Westler seinen privaten Freiheitbegriff. Der Umzugsmann Zapf etwa, erfährt man aus Nachrufen, dichtete, Freiheit sei, nachts zum Kühlschrank zu gehen: „ne Fleischwurst zu fressen, und keiner frägt: warum?

Mit dieser Definition verstehen wir jetzt nicht nur die schöne Sentenz aus dem Gauckischen: „Fremdeln mit der Freiheit ist nicht typisch deutsch„, die übersetzt wohl heißt, dass Deutsche Fleischwurst mögen, ohne dass jemand fragt, warum.

Wir finden sogar, dass Zapf mit seinem Satz die real existierende Freiheit griffig umrissen hat. Man muss ihn nur auf das Wesentliche zurechtkürzen:

Freiheit ist, wenn keiner fragt: warum.

Fragt einer nämlich erst mal nach, warum Freiheit genau das sein soll als was sie in Feierreden vorkommt, der Sinn des Lohnarbeiterlebens nämlich, warum nicht vielleicht ein bequemes Leben ohne Kriege und Altersarmut sinnstiftender wäre – dann kann es sein, dass die schöne Freiheit schneller verfliegt als das Wort aus dem Munde des Predigers verhallt in einer leeren Kapelle, poetisch gesprochen.

Al Pacino (links) bei der Vorstellung des Biopics "Moving Sidewalks" über Klaus Zapf (rechts) bei der Berlinale 2013

 

1.8.14 (‚Die Reihen Freien fest geschlossen‘): „Russland kontrolliert seine Medien streng“, unkt das freie Medium SPIEGEL ONLINE, „vor allem die Fernsehsender berichten auf Kreml-Linie. Eine Umfrage zeigt: Die TV-Propaganda zeigt Wirkung. Zwei Drittel der Befragten sehen die Schuld für die Krise beim Westen.“

Gut, dass wir im Westen leben. Da berichten die Fernsehsender nur auf EU- und NATO-Linie. Und dass die Schuld für den ukrainischen Bürgerkrieg mit all seinen zivilen und ökonomischen Verwüstungen bei der friedliebenden EU, Mama Merkel und dem Sunny Boy Obama liegen könnte, na, darauf kann doch wirklich nur kommen wer von der berüchtigten Russenpropaganda hirnlich aufs Übelste traktiert worden ist…

Gut, dass wir die Guten sind und die anderen nicht. Große Geschichte läuft nach diesem Drehbuch (in die Irre). Und gut, dass es immer wieder in der Geschichte Mietschreiber-Massen von rättischem Format gibt, denen es gelingt, genau das zu glauben, oder so zu tun, als ob sie’s glaubten, weil sie, ganz westliche Berufszyniker, zumindest an die Verbreitung dieses falschen Glaubens aus politischen Gründen glauben. Propaganda brauchte man im Westen gar nicht. Hier hat jeder sein eigenes ‚inneres Propagandaministerium‘.

Aber wurscht, was der mediale Trottel glaubt, der nur in seiner Zeit schwimmt wie der Kot im Abwasser: ablesbar an mehr und immer mehr Artikeln zu Russland und zur Ukraine ist gegenwärtig eine konforme Verlogenheit und Aggression unterhalb der politischen Entscheidungsgremien, aber mit diesen im Einklang, die unsere Zeit endlich genauso düster erscheinen lässt wie sie ist. Der kapitalistische Nationalstaat ist auf Eroberung aus und schließt seine Reihen. Und ‚wir‘ reihen uns ein – für die Freiheit.

„Das Leben“ nämlich, schwadronierte schon der Freiheitsfasler Schiller, „ist der Güter höchstes nicht.“

Na dann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

9.7.2014 (‚Zack, zack, zack! Karamba!‘): Irgendwann, als Helmut Kohl noch nicht im Rollstuhl saß, muss es gewesen sein, dass sich Eltern mit Abitur pädagogisch ärgerten, wenn ihre Kinder bunte Sprechblasen-Heftchen lasen, in denen neben bürgerlichen Werten wie Geldspeichern oder militärischer Übermacht qua Zaubertränken auch eine Menge Interjektionen – uff! wumms! huch! – zu entdecken waren. Das macht dumm, sagten damals einige. Und wer hätte gedacht, dass sie mit diesem Unsinn recht behalten würden? Denn inzwischen sind es die hochschulreifen Eltern selbst, die Kleinen von damals, die nicht nur solche, sondern noch viel dümmere Heftchen lesen. Das beliebteste von ihnen heißt „Spiegel-Online“, kommt ganz ohne Blättern, aber nicht ohne Bildchen aus und wird, zusammen mit dem bei Nicht-Managern beliebten „manager-magazin“, von einer Tochter jenes Verlags betrieben, der mit dem gleichnamigen, sehr zu Recht als „Flaggschiff der Demokratie“ beschimpfbaren Medium zu Einfluss gekommen ist.

Welche sogenannte ‚inhaltliche Ausrichtung‘ ein Medium hat, das im Jahr gut und gerne 30 Millionen Euro Werbeumsatz generieren kann, darüber muss man nicht lange nachgrübeln. Und wer sich schon einmal darüber gewundert hat, dass in den Kommentarspalten scheinbar nur treu verblödete Staats- und Lohndiener, geistig unbescholtene Klugscheißer und hypertonische Meinungsteutonen aktiv werden, der sollte ein Mal, oder noch besser mehrere Male, versuchen, einen inhaltlich und sprachlich gut strukturierten, beleidigungslosen Beitrag mit marxistischem oder anders ‚radikal‘ abweichenden Argumenten an der Zensur vorbeizuschleusen. Es wird ihm nicht gelingen. Die redaktionell betreute Debattierarena läßt nur Gladiatoren zu – soll ja schließlich unterhaltsam bleiben.

Nicht dass das alles neu wäre. Hat man doch schon öfter gehört, „Spiegel-Online“, eine typische Ich-weiß-halt-nicht-was-ich-sonst-noch-gucken-soll-Website, sei eine BILD-Zeitung für Intellektuelle. Hätten wir jetzt noch wenigstens einen restpositiven Begriff von einem „Intellektuellen“, müssten wir wohl widersprechen. Aber zum Glück haben wir den nicht und können dieses Urteil voll bestätigen: ja, gewiss, das ist in der Tat typische Intellektuellen-Kost, bunt und heiter, ganz viel Aufmerksamkeit und Anpassung, davon lebt der Intellektuelle schließlich, und ganz viel Meinung mit minimalen Einschränkungen durch so etwas wie Erkenntnisse. Ein perfektes Massenblatt für jene ‚kritische‘ Masse, die nicht kritisch genug ist, um keine Masse mehr zu sein, aber viel zu ‚kritisch‘, um sich als Masse zu begreifen.

Diese Masse kritisiert heute, wo es an jeder trostlosen Stätte der Lohnarbeit nur um die Großartigkeit irgendeines über ‚uns‘ schwebenden trostreichen Deutschtums gehen kann, vor allem ‚Brasilien‘ – ein Begriff, der je nach hirnlichem Gusto für die dortige Fußballnationalmannschaft (7:1!), den mittelmäßigen Wirtschaftsstandort, das zu nix Rechtem kommende Lateinamerika oder gleich die leistungsmäßig abgeschlagene Südhalbkugel des Planeten stehen darf. Zu dieser Kritik liefern die Journalisten des Dünkel-Comics für ungelebte Leben emsig Bildchen, Interjektionen und Ideologie: nicht weniger als die ersten (!) zehn (!) aufeinanderfolgenden ‚Meldungen‘ und ‚Nachrichten‘, von der Top- bis zur elften Schlagzeile, drehen sich in dieser Mittagspause (abgerufen am 9.7. um 12.10 Uhr) um das Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft. Die Titel dieser Artikel sollen hier, allen Disney-Comics zur Ehre, verewigt werden – ihre Kommentierung überlassen wir, von zuviel Erwartbarkeit ermattet, dem Leser:

„Deutschlands Triumph – Zack, zack, zack!“

„Internationale Presse zum DFB-Triumph – Oh! Mein! Gott!“

„Niersbach im Siegesrausch – ein Präsident flippt aus“

„Schlechtes Wetter hält Deutschland-Anhänger von Fanmeilen fern“

„Deutschland in der Einzelkritik – einfach kroosartig“

„Brasilien in der Einzelkritik – einfach verheerend“

„Trauer in Brasilien – ‚Wir sind überfahren worden'“

„Netzreaktionen auf Brasilien-Debakel – Humpen schlägt Cocktailglas“

„Historische WM-Niederlagen – Pleiten, Pech und Sparwasser“

„Fanduell Berlin vs. Rio – Karamba!“ 

PS: Jetzt, um 13 Uhr, hat man die wohl im Siegestaumel restalkoholisierter Patrioten im Praktikum mobilisierte Informationsübermacht auf sieben Aufmacher reduziert, dabei den ersten aber mit dem auf sehr deutsche Art humorvollen Titel versehen:

„Gedemütigte Brasilianer – Verlieren können sie“

Das müssen die Deutschen leider immer wieder lernen.

 

2.4.2013 (‚Et tu, Slavoj?‘): Gäbe es eine Sesamstraße des Pseudosozialismus, wüssten wir genau, mit welchen Darstellern wir sie besetzten: Ernie und Bert mit Gregor und Oskar (nicht umgekehrt!), Tiffy mit Sahra Wagenknecht, Herr von Bödefeld mit John Maynard Keynes, und in der Rolle des halb knuffigen, halb ungeheuren Samson – der „notorische Problembär“ (SZ) Slavoj Žižek. Im Namen aller KommunistInnen, denen die historische Gegenwart weiterhin unheilvoller ist als die notwendigen Ungewissheiten ihrer Überwindung, nehmen wir keinen Abschied von einem selbsternannten ‚Genossen‘, der sich statt zur Revolutionsvorbereitung zur telemedialen Verwertung in einem flauschig-flapsigen Kostüm entschlossen und dabei immer wieder bewiesen hat, dass das eine mit dem anderen einfach nicht zusammenpasst. Wie auch schon Sahra ‚Tiffy‘ Wagenknecht vor ihm ist er ein weiterer Beleg dafür, dass ein Mensch am Ende seiner Auflehnung nie angepasster, bestechlicher, zynischer oder einfach desinteressierter wird als er immer schon war und dass es meist keinen Verlust darstellt, von einem/-r, der/die in den Massenmedien mit spitzen Fingern als „Kommunist/in“ herumgereicht wird, selbst zu erfahren, dass sie ja längst keine Kommunisten mehr seien – sind sie es doch eigentlich, wenn sie und wenn wir darüber nachdenken, ohnehin nie gewesen.

In seinen fast 75 Büchern behauptet Žižek allerhand – und von allerhand das Gegenteil. Der Philosoph sammelt Anekdoten und frönt der in manchen philosophischen Schulen obligatorischen Disziplin der möglichst originellen Interpretation möglichst banaler Gegenstände. Von der Kloschüssel zu Stalin in zwei Argumenten? Für ernsthafte Marxisten unlösbar. Für Žižek kein Problem. In seinen inzwischen fast achtzig Kritik-Cartoons finden sich immer wieder auch gute Sätze und Anregendes; es wäre ja auch ein Wunder, wenn auf so vielen Seiten, auf denen jemand ununterbrochen in kritischer Absicht mit der hegelianischen Tradition auf den spätkapitalistischen Alltag eindrischt, nicht auch mal ein erhellender Funke, etwas zumindest nicht Abwegiges dabei entstünde; aber wer will schon für so wenig so viel Zeit und Geld ausgeben?

Vor über einem Jahr ist es der FAZ gelungen, gleich drei medienkarrieristische Berufskritiker für ein flauschiges Konversatiönchen zusammenzutrommeln. Der eine schreibt Science-Fiction-Romane, der andere parliert im Europaparlament, und der dritte heißt Žižek von Beruf. Zu diesem Beruf gehört die sofortige Anpassung an die perönliche und mediale Umgebung, um in ihr einen maximalen Sympathiewert beim Rezipienten herauszuschinden. Gleich zu Anfang distanziert sich Žižek daher indirekt vom Kommunismus, um später, in klarem Widerspruch zu früheren (und späteren) Aussagen, zu erläutern: „So wenig ich mit Alain Badiou übereinstimme [auch das ist neu, DWR], in einem Punkt hat er recht: Das zwanzigste Jahrhundert ist vorbei, also hat der Rückweg zu Dogmen wie dem Stalinismus oder dem Kommunismus keinen Zweck.“ Der Kommunismus ein Dogma? Das keinen Zweck hat, weil das 20. Jahrhundert vobei ist? Und dieses Argument zitiert er sogar noch?

Als wäre das nicht dumm genug, outet sich Žižek im Interview als echter europäischer Patriot – auch hier ohne konkrete Begründungen, seine Begeisterung für die „Tradition“ dieses Kontinents ist ihm schon Argument genug: „ich sehe Europa als Zentrum der Emanzipation. Dieser Kontinent hat die großartigste Tradition von allen.“ Ersetzt man das noch etwas zu linke ‚Emanzipation‘ durch ‚Freiheit‘, dann erhält man ein astreines Präsidentensprech, mit dem Žižek bald auf staatstregenden Podien wird reüssieren können. Die folgenden Sätze braucht man für einen solchen Anlass – vielleicht zum Jahrestag des Mauerfalls im Deutschen Bundestag? – schon überhaupt nicht mehr zu ändern:

„Europa muss sich politisch verstehen. Alles Gerede davon, dass die gegenwärtige Krise eine rein wirtschaftliche wäre, fällt wieder ins alte Schema des kommunistischen Denkens vom Primat der Ökonomie zurück. Und was hätten wir dann für eine Alternative? Entweder das angelsächsische neoliberale Modell oder der neue Kapitalismus mit asiatischen Werten. Würden Sie gern in einer Welt leben, in der das die einzige Wahl ist? Ohne ein selbstbewusstes Europa wäre das der Fall. Unsere Unzufriedenheit über die europäische Entwicklung ist deshalb ein gutes Zeichen: Wir wissen, was auf dem Spiel steht.“

Žižek for president!

18.3.2013 (‚Jubiläum‘): Im offiziellen Regierungsneusprech haben „viele Menschen es persönlich als Härte erlebt“ (so Hubertus Heil), als Berufsgrinser Gerhard Schröder vor zehn Jahren jene Vorschläge professioneller Kapitalvertreter umgesetzt hat, die gerade unter dem nostalgischen Namen „Agenda 2010“ von denselben Kapitalvertretern gefeiert worden sind. Ja, die Menschen, schwache Subjekte, die sie sind, erleben eben so einiges, „persönlich“ – da kann ja die Politik nichts für, die doch immer nur „Problemlösungen“ liefert. Und es stimmt ja auch: „Wir mussten die Wirtschaft wettbewerbsfähig machen“, erklärt der Ex-Kanzler im Fachblatt für Proletariatsdressur, „denn Arbeitsplätze gibt es nur, wenn wir unsere Produkte auch exportieren können.“ Wer Export will, wer Wirtschaftswachstum will, wer Wettbewerb will, der muss auch die „Agenda 2010“ wollen. Und auch die ist schon längst überholt, denn die Konkurrenz schläft ja nicht…

Während „Top-Ökonomen“ und sonstige Mietmäuler in einschlägigen Lobbyblättern schon auf die nächsten Quälereien zugunsten von Kapital und Wachstum schielen und in teils beachtlicher ethisch-ökonomischer Schädelspaltung („Nur wer den Geist der Agenda-Reformen bewahrt, wird die Lage der prekär Beschäftigten allmählich verbessern“, irrt Heike Göbel in der FAZ) weitere Verbilligungen der Ware Mensch verlangen, zieht der marxistische Journalist Tomasz Konicz noch einmal ausführlich Bilanz und stellt „die wichtigste wirtschafts- und sozialpolitische Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte“ in ihren historischen Kontext: die damit etablierte „zügellose Hetze gegen Arbeitslose“, die in der Krisen-‚Berichterstattung‘ heute wiedererscheint, die flankierenden Steuergesetze von Rot-Grün (Senkung des Spitzensteuersatzes um 9 %), der erste Hungertote dank ‚Sozialstaat‘ anno 2007, die Tatsache, dass Deutschland 2010 „über den größten Billiglohnsektor Westeuropas“ verfügte, der Lohnabfall in den letzten zehn Jahren, die „Entsolidarisierung“ durch das sozialdarwinistischedemokratische „Ich-AG“-Modell, die Zunahme von Angst, Stress und psychischen Erkrankungen und den „autoritären Zirkel“, den Psychologen in der Denke der ‚reformierten Arbeitnehmer‘ konstatieren, der den Weg in zukünftige Lebenswelten weist, nämlich „zurück ins 18. Jahrhundert“ – kurz: die mannigfaltigen Anzeichen „neofeudaler“ Zustände im deutschen Arbeitsstaat setzt Konicz verständlich miteinander in Beziehung. Und uns bleibt wieder einmal nur der Hinweis auf seinen für alle, die bei klarem Verstand bleiben wollen, ungemein lesenswerten Text.

15.5.2012 (Et tu, Sahra?): Seit Februar 2010 ist Ex-Genossin Warenknecht Wagenknecht nicht mehr Mitglied im Bundeskoordinierungsrat der Kommunistischen Plattform. Na und? Da muss man als vernünftiger Mensch schließlich auch kein Mitglied sein. Mit ihrem neuen Werk „Freiheit statt Kapitalismus“ aber schlägt „die schöne Kommunistin“ (BILD, ZEIT, STERN) offensichtlich einen Weg ein, der vom Kommunismus ebenso weit entfernt ist wie vom Gebrauch des auf ihn zutreffenden Wortes „konterrevolutionär“. Wagenknecht scheint wahrhaftig ein neues Modell entdeckt zu haben und sich für eine Wirtschaftsordnung stark zu machen, auf die gesunde Hoffnungen zu setzen am Hoffenden zweifeln lassen muss: die gute alte Marktwirtschaft. Beziehungsweise die wahre Marktwirtschaft. „Wie Marktwirtschaft tatsächlich funktioniert“, will sie erläutern. Und dass es da einen Weg zu einem marktwirtschaftlichen ‚kreativen Sozialismus‘ gäbe usw. Klingt wie Oskar Lafontaine in Kooperation mit Jung von Matt. „Es scheint tatsächlich auch bei Kommunisten einen Lernprozess zu geben“, schreibt denn auch die International Business Times (Wer hätte das gedacht? Sollten auch Kommunisten also Menschen sein?). „Wagenknecht“, heißt es in deren Besprechung, „anerkennt die Vorteile von ‚Leistung‘ und ‚Wettbewerb.'“ Na endlich! Willkommen im Club der Händeschüttler. In der aktuellen Ausgabe des „GegenStandpunkt“ wird das Buch ausführlich rezensiert und sorgfältig abgeklopft. Viel Hohles erklingt da, und wer die Rezension liest darf den Schluss riskieren, dass dies einmal ein Buch von Sahra Wagenknecht ist, das zu lesen sich nur für Leute lohnt, die die Marktwirtschaft mit allerlei Illusionen und Werbesprech verteidigen wollen. Für uns dagegen nicht. „Ihr seid wohl immer dagegen, nicht wahr? Was wollt ihr denn überhaupt? Das wisst ihr doch nicht einmal selbst!“ Doch. Wissen wir. Eine bedarfsgerechte Planwirtschaft ohne Wachstum wollen wir. Ohne Raubbau an Mensch und Natur. Dass Wirtschaft wieder ein Mittel zum Leben wird – und nicht der Zweck des Lebens bleibt. Wer die Marktwirtschaft beibehalten will, obwohl er oder sie doch sieht, wohin sie sich aus den in ihr gehegten Interessen entwickelt, muss arg beschränkt oder bestochen oder ein Menschenfeind sein! – Diese Position teilen wir künftig nicht mehr mit Rosa Luxemburgs Schatten aus dem Karl-Liebknecht-Haus. Zum Abschied singen wir ein leises: Bella Ciao.

15.4.2012 (‚Eine Sichel für Frank‘): Günni Grass – dem wir an dieser Stelle recht herzhaft die Bronzene Steckrübe für die nicht zu unterschätzende Leistung vergeben wollen, der am wenigstens begabte und denkschwächste Literaturnobelpreisträger seit Erfindung des Dynamits zu sein – hat sich wieder einmal öffentlich entleert. Gelobt sei der Kapitalismus, der uns als subventionslosem Erwerbstätigenblog keinerlei Zeit lässt, uns auch noch um derartige Leergüter zu bekümmern. Frank Schirrmacher dagegen hat Zeit und wird, wie wir finden, völlig zurecht subventioniert, um Leergüter aller Art zu kommentieren: in seiner „Interpretation“ des Gedichts in der FAZ vom 4.4. sagt er fast auf den Buchstaben genau alles, was zu diesem Gedicht zu sagen ist.

Warum weisen wir darauf hin? Ganz einfach: ohne Bürgertum keine Aufklärung – ohne Aufklärung kein Kommunismus. Mit Stil für seine eigene Abschaffung sorgen, das ist die historische Mission des Bildungsbürgers.

21.2.2012: Sitze ich heute mal ausnahmsweise vor der Glotze einer Freundin und gucke die ZDF-Nachrichtensendung „Heute“. Griechenland – Gauck – Afghanistan – Syrien – dann Karneval in Rio. Den Übergang zum Sport moderiert eine dieser immer gleich aussehenden und wahrscheinlich in den Nachwuchs-Kellern der Öffentlich-Rechtlichen gezüchteten Klonblondinen mit leicht schulternwiegenden Tänzelbewegungen und, anspielend auf die vorigen Einspielungen aus der Sambametropole, mit dem Sprüchlein: „Ist irgendwie ansteckend.“ Soweit der Sachverhalt, wir schreiten zur Deutung:

Natürlich ist das kein spontanes Tänzchen gewesen. Nichts ist spontan in den „Heute“-Nachrichten, alles ist penibel choreografiert, leider auch der blonde Samba vorm Sport. Da hat wohl der Regisseur sich, oder auf höhere Weisung, gedacht: „Nachrichten sind immer so nüchtern und verkrampft. Immer diese Toten und Hungernden. Das wollen die Leute nicht sehen. Die haben heute schwer gearbeitet, die können nicht noch mehr Tote aushalten. Deshalb machen wir das jetzt mal ein bißchen lustig und ’spontan‘. Und zeigen den Zuschauern, wieviel Spaß uns die Arbeit hier macht. Das motiviert dann auch. Das lindert die Depressionen und ist gut fürs Wirtschaftswachstum oder sowas.“ Und dann hat er mit einem ganzen Team aus schlanken Uniabsolventen, die nach Haarpflegemitteln und neuen Mauspads riechen, ein paar Wochen lang an dem nationalen Projekt gegrübelt, bis sie diese absolut blonde und fönfrisurige deutsche Humoridee hatten: die Moderatorin nämlich einen voll spontanen und optimistisch-lockeren Spruch einstudieren zu lassen, den sie vorm Sport – wenn der Tag ja schon sowas von aufgehört hat – dem Sportmoderationshansel oder der Sportmoderationstrine zuwirft wie eine Luftschlange. Der oder die fängt sie dann mindestens genauso lässig auf und geht so beschwingt zur Bundesliga oder sonst irgendeiner für sämtliche Lebewesen auf diesem Planeten objektiv vollkommen und in jeder Hinsicht belanglosen Hirnwaschveranstaltung über. So, jetzt kommt die Moral auch für Schnellleser noch einmal prägnant eingedampft:

Meldungen von alltäglichen Massakern und wirtschaftlichen Desastern mit Sport aufzupeppen und so zu tun, als ob es genauso wichtig wäre, wer wo Krieg führt und wer wo Ski fährt, ist schlimm genug. Diese Desaster aber auch noch mit einem humorigen Finale zu servieren – ‚guckt mal, ist ja nicht so schlimm, wir lächeln ja auch noch!‘ – das wäre selbst einer Fernsehsendung unwürdig, wenn nicht Fernsehen genau darin bestünde, Empörendes weichzuspülen und Desaströses als visuelle Schnittchen aufzutischen. So geht, nicht nur im Fernsehen, zielpublikumsorientiertes Medienmachen: die Arschkriecherei der ‚Information‘.

8.2.2012: Zum besseren Verständnis unserer unverständlichen Welt kann DWR ausnahmsweise auch einmal einen Film empfehlen. Margin Call (dummdt. Der grosse Crash) ist der erste Langfilm des Autors und Regisseurs J. C. Chandor, der hier nicht nur in der Formulierung seiner Dialoge Stil und Erfahrung beweist. Die Charaktere mögen zwar nicht unfehlbar realistisch sein, aber dafür sind sie dramatisch mehr als tragfähig. Was spricht, abgesehen von fabulösen Schauspielern, sonst noch für den Film? Vor allem, dass er uns vorführt, wie viel mehr Filme ohne Explosionen, Lovestories und Fabelwesen es geben sollte – und wie viel mehr Filme, die in jenen Welten spielen, die die Welt bedeuten, nämlich in Banken, Büros und Fabriken.

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