Leider macht es oft am meisten Spaß, Erwiderungen auf Texte zu schreiben, die solcher überhaupt nicht bedürfen. Wie ein Furz in der Konferenz rufen sie bei jedem sensiblen Rezipienten das gleiche Urteil hervor, ohne dass man sich darüber auszutauschen hätte. Sie sind sozusagen die Prämisse eines Standardschlusses, das Negativ ihrer Widerlegung. Ein solcher Glücksfall von Text ist der kleine Artikel eines hoffnungsvollen Jungökonomen mit russischem Migrationshintergrund, der kürzlich im Onlineangebot der WELT erschienen ist.

Meine Eltern hatten 200 D-Mark in der Tasche, als wir nach Deutschland kamen. Nach einer Nacht im erstbesten Hotel waren die weg. Dann kamen Sozialhilfe, Kleidung und Spielsachen vom Roten Kreuz, Spenden und sehr viel harte Arbeit.

So beginnt das Textchen und setzt damit eine erste Ideologiemarke: es gibt zwei Arten von armen Schweinen – die einen arbeiten hart, die anderen bleiben arm. Also ist jeder, der arm bleibt, nicht nur ein armes, sondern vor allem ein faules Schwein.

In den Urlaub fahren stand nicht zur Debatte, neue Möbel gab es nicht, an Restaurantbesuche wurde nicht einmal gedacht

schreibt der telepathisch begabte Junge. Aber…

Aber wir waren zufrieden, sehr sogar. Immerhin hatte ein Land uns aufgenommen, in dem die Supermarktregale gefüllt waren, die Züge fuhren und die Straßen sauber waren. Mehr noch, meine Eltern bekamen die Chance, für ihr Geld zu arbeiten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

‚Immerhin!‘ sagt der Taubstumme zum Tauben. Immerhin Fototapete im Folterkeller. Mit Trotteln, die ‚immerhin!‚ sagen, ist der Weg zur Hölle gepflastert. Die Tatsachen, dass irgendwo Supermarktregale gefüllt sind und Züge fahren, geben nicht den geringsten Grund zur Hoffnung, dass die Menschen dort zufrieden sein müssten – zumal die „Chance“, für Geld zu arbeiten, impliziert, dass man sein Leben eben nicht „in die eigenen Hände“ nehmen kann, da man das Geld ja nicht sich selbst ausbezahlt.

Aber die Marschrichtung (Denkrichtung möchte ich’s nicht nennen) des Autors ist klar. Die moralische arme Sau ist dankbar, dass man sie nicht absticht, statt sich zu beklagen, dass sie arm ist. Deshalb und nur deshalb steht Moral so hoch im Kurs bei allen denen, die nicht hoch im Kurs stehen: mit Moral kann man sich denen, die keine haben, weil sie keine brauchen, zum Benutztwerden anempfehlen. Moral und Tugend, also alles zwischen Bescheidenheit und Gewaltfreiheit bis zum Respekt vor Traditionen, ist in der Gesellschaft, in der wir leben, die wertlose Aufwertung der Anpassung, ein joviales Schulterklopfen der Herrschaft für den zahmen Knecht. Und damit natürlich auch der Stoff, aus dem bürgerliche Zeitungen sind:

Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich auf der Straße höflich grüßte, zur Arbeit ging, in Supermärkten die Auswahl zwischen zwanzig Sorten Joghurt hatte [sic], bei Notfällen auf die Polizei zählen konnte und der Notarzt innerhalb von zehn Minuten kam – all das ist der Luxus, an den sich Deutschland längst gewöhnt hat

Es ist mir persönlich zwar scheißegal, aber um der Wahrheit willen muss ich doch erwähnen, dass es durchaus Straßen in diesem Land geben soll, auf denen der höfliche Gruß nicht die Regel darstellt. Und auch zur Arbeit, höre ich, geht nicht jeder an Luxus gewöhnte deutsche Bürger; tut er’s doch, fehlt ihm zum Luxus wohl noch ein Monatslohn… Korrekt ist aber in der Tat, dass man in den deutschen Grenzen seit 1990 eine Joghurtauswahl hat, um welche Dänen, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Franzosen, Schweizer, Österreicher, Tschechen, Polen, Briten, Iren, Italiener, Schweden, Spanier, Ungarn, Norweger, Kroaten, Amerikaner, Kanadier, Australier, Argentinier, Portugiesen, Griechen, Neuseeländer, Chinesen, Algerier, Russen, Japaner, Mexikaner, Chilenen, Ägypter, Koreaner, Südafrikaner, Saudis, Indonesier, Georgier, Inder und Slowaken uns tatsächlich beneiden dürften. Sagte nicht ein großer Deutscher einst: am deutschen Joghurtwesen soll die Welt genesen? Aber, werden die neidischen Welschen vielleicht sagen, zwanzig Sorten im Regal heißen noch lange nicht, dass jeder Deutsche auch zwanzig Sorten im Kühlschrank hat. Schließlich muss er sie erst kaufen. Und dazu braucht er – wie war das nochmal im VWL-Seminar? – richtig: Geld. Aber das ist ja wieder ein ganz anderes Thema, worüber unser begeisterter Jungdeutscher gar nicht sprechen will…

Immerhin (!) kann man als vietnamesischer Flüchtling, der aus einem brennenden Asylantenheim herausschreit, darauf zählen, dass die deutsche Polizei ruckzuck den grölenden Mob einkesselt und abtransportiert, der das Heim aus lauter Freude über seine zwanzig Joghurtsorten in Brand gesetzt hat. Und wenn man sich doch mal Verbrennungen dritten Grades einfängt oder mit einem Joghurt essenden Deutschen, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ist, um sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, derart ungünstig aneinandergeraten ist, dass man stark blutend auf dem Bürgersteig verbleibt, dann kann man sich darauf freuen, dass binnen zehn Minuten ein supernetter Notarzt kommt – jedenfalls wenn einer der freundlich grüßenden Passanten ihn vorher gerufen hat.

Das ist der Luxus, der Deutschland (oder Dänemark oder die Niederlande oder Belgien oder …) heißt, und wer sich an den gewöhnt, statt täglich neu dafür zu danken, ist ein Rüpel. Mindestens:

Jetzt haben sie [die Eltern des Autors] ein Haus, ein Auto, fahren in den Urlaub, ihre Kinder machen das Abitur und studieren. Während irgendwelche gutbürgerlichen „Aktivisten“ nach Frankfurt fahren und die halbe Stadt in Brand setzen, um für Gerechtigkeit zu demonstrieren.

Es ist gerade sehr trendy bei bürgerlichen Interpreten, die statistisch nicht erfassten Teilnehmer der „Blockupy-Krawalle“ (Bild) als „gutbürgerlich“, „Bürgerkinder“ oder „gelangweilte Bürgersöhne“ (die Töchter spielen wohl Geige und langweilen sich nicht) zu titulieren, wohl weil der Bürger denkt, dass der antikapitalistische Unternehmerssohn sich böse ertappt fühlt, wenn jemand merkt, dass er sich gar nicht aus dem Lumpentum emporrandaliert hat, sondern nur deshalb Zeit zum Nachdenken hatte, weil er nicht am Fließband stehen musste. Wollten die Kritiker etwa ausdrücken, dass sie randalierenden Fließbandarbeitern eher zuhören würden, weil deren Wut authentischer wäre? Oder was sonst kann es bedeuten, wenn Bürger vermeintlichen Bürgern ihr Bürgertum vorwerfen?

Insbesondere bedeutet das, dass die Interpretationselite der Marktwirtschaft sich selbst und ihre Klientel beruhigen möchte. Jeder neue Aufruhr in einer dichter werdenden Reihe von sozialen Unruhen in Europa wird reflexhaft als politisch irrelevant eingestuft, entweder weil den Akteuren jedes politische Motiv abgesprochen wird oder weil sie als Gruppe ohnehin marginalisiert seien. „Es gibt kein revolutionäres Subjekt mehr“, beginnt der Blockupy-Kommentar des stellvertretenden WELT-Chefredakteurs. ‚Es wird keine Revolution geben, da es niemanden gibt, der eine Revolution trägt. Die Leute wollen keine Revolution.‘ Das will er sagen. Und diesen Befund möchte man stützen, indem man diejenigen, die vielleicht doch eine wollen (und von deren Zahmheit der WELT-Redakteur nichts weiß, da er den Schwarzen Block und Blockupy für bedrohlich hält), wenigstens sprachlich von der Mehrheit scheidet und unbesehen als „Kriminelle“, „randalierender Mob“ oder eben „Bürgersöhne“ einer Minderheit zuschlägt, von der die Funktionsträger des Kapitalsmus nichts zu befürchten haben. Der Bevölkerungsmehrheit wiederum signalisiert man damit, dass es sich bei den „Aktivisten“ lediglich um lichtscheues Gesindel, um eine ganz unzuverlässige Mischpoke handele, wenn es darum geht, einen Fußball- oder Exportweltmeisterstaat zu schmieden. Implizit geben sie zwar damit zu, dass die meisten Söhne dieses Landes keine „Bürgersöhne“ sind und trotz harter Arbeit nicht ihren angestammten „Platz im Establishment einzunehmen“ imstande sein werden. Dennoch ist damit die Frage, was politisch oder ökonomisch zu verändern wäre, damit es nicht mehr zu solchen Unruhen käme, nicht nur vom Tisch, sondern gar nicht erst auf den Tisch gekommen: man braucht einfach mehr Polizei. Unser Jungökonom dazu:

Es sind Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft, die nichts zu deren Erfolg beigetragen haben. Die eine kostenlose Bildung, saubere Straßen, eine funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung vorgefunden und genossen haben, ohne sie jemals wertgeschätzt zu haben. Es sind Menschen, die selbst nicht in der Lage wären, das aufzubauen, was sie mutwillig zerstören.

Der klingt ganz, als sei er selbst dabei gewesen und habe sich wochenlang die Lebensbeichten der Krawallmacher angehört. Trotzdem bringt er nur Argumente von Bauklötzchenformat zustande: junge Leute sollen erstmal was aufbauen, bevor sie was kaputtmachen. Als ob man sie dann wirklich kaputtmachen ließe was sie selbst aufgebaut haben, den in Bad Cannstatt zusammengeschraubten Neuwagen zum Beispiel. Außerdem, sagt er, sollte man saubere Straßen auch wertschätzen – und nicht nur genießen. Ein interessanter Aspekt, den man nutzbringend in den mündlichen Teil des Einbürgerungstests aufnehmen könnte:

  • Haben Sie bei uns in Deutschland saubere Straßen vorgefunden?
  • Oh ja. Wunderbare Straßen.
  • Schön. Und genießen Sie unsere sauberen Straßen?
  • Genießen?
  • Ganz recht. Genießen Sie sie?
  • Ähm. Ich denke schon. Ja.
  • Gut. Sehr gut. Aber wertschätzen Sie unsere Straßen auch? usw.

Eine „funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung“ finden heute noch ausschließlich Ökonomen vor. Und auch nur, weil sie jahrelang im Finden solch leicht übersehbarer wirtschaftlicher Zusammenhänge ausgebildet worden sind. Ökonomische Laien wie Rentner, Arbeitslose, Armutsgefährdete, 70 % der Arbeitnehmer und 60 % der gesamten Bevölkerung, die glauben, dass die Wähler gar nicht wirklich das Sagen in Deutschland hätten, können die subtilen Beweise für die beste aller Welten einfach nicht wertschätzen – und oft nicht einmal genießen…

Aus Benennungen wie „gutbürgerlich“ oder „dumme Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft“ spricht übrigens auch der konkurrenzgequälte Widerwille gegen die Bessergestellten, die weniger oder sogar überhaupt nicht fleißig sein mussten, um in dieser funktionierenden Gesellschaftsordnung durchzukommen. Aber der sei dem Autor verziehen. Auf die Dauer muss es enorm frustrierend sein, als Karrieremigrant auf dem Weg zur Traumhochzeit mit einer blonden Zahnärztin das geforderte Normalmaß an Heuchelei auch noch überbieten zu müssen.

Er macht sich trotzdem nicht schlecht dabei:

Demonstrationen dienen der freien Meinungsäußerung. Doch was wir in Frankfurt gesehen haben, war das komplette Unverständnis für unsere Gesellschaftsordnung. Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung. Indem die Vandalen unsere Polizei angriffen, unsere Fahrzeuge anzündeten und unsere Straßen und Häuser beschädigten, unsere Freiheit beschränkten, negierten sie alles, wofür wir arbeiten.

Zwei Mal „wir“, und fünf Mal „unser“. Wen meint der Russe?

Wir, das sind wir Unternehmer, wir Journalisten, wir Studenten und wir Arbeiter. Wir, die wir versuchen, eine gesellschaftliche Ordnung aufzubauen, die auf Diskurs statt auf Gewalt beruht.

So viele Wirs erinnern mich an Freddy Quinn (der übrigens auch Migrant war) und seinen gleichnamigen Hit aus den Sechzigern, mit dem der WELT-Artikel viel gemeinsam hat (was kein gutes Licht auf den Artikel, die WELT und den historischen Augenblick wirft, in dem „wir“ uns gerade befinden). Bezeichnend ist, dass jemand, der in Russland geboren ist, so gerne „wir“ sagt, wenn er in einer deutschen Zeitung über seine gelungene Deutschwerdung schreibt. Die ganze Gesprächssituation erinnert an einen Kindergeburtstag bei der gesitteten Kleinfamilie, zu dem diverse Schulfreunde eingeladen sind. Während der eigene verzogene Sohn nebst anderen Bürgerssöhnchen im Wettrülpsen bei Tisch brilliert, lechzt das vernachlässigte Migrantenkind mit frühreifer Zurückhaltung nach der Anerkennung der fremden Eltern. „Der Filipp ist ja so ein netter Junge“, heißt es dann später gerechterweise. So einfach ist das. Warum also „für Gerechtigkeit demonstrieren“? Gerechtigkeit durch Anpassung heißt die Devise. Und wer sich nicht anpasst ist selber schuld.

Ist man dem Kindergeburtstag entwachsen, bieten sich immer weitere Autoritäten zur Darmerkundung an: am besten kriecht man dem Chef in den Arsch. Der mag das. Wenn man, wie unser Autor, noch studiert, kann man auch dem ganzen deutschen Staat in den Arsch kriechen, indem man sich ihm in der WELT als Musteruntertan empfiehlt. Das wäre die abstrakte Variante: Deutschland als eine Art ideelles Arschlochsurrogat. Dem provinziellen Misstrauen, das man nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu jeder europäischen Nation nahezu jedem Migranten entgegenbringt, tritt der integrationsgeile Einwanderer respektive Rektalimmigrant nie durch Vernunft, eigennützige Schläue, Selbstorganisation oder einen (manchmal leider nur gefälschten) Mittelfinger entgegen, sondern durch übersteigertes Imitieren landesüblicher Neurosen und Hyperventilieren staatstreuer Bekenntnisfloskeln. (Und bevor man mir nun unterstellt, ich würde mit djihadistischen Parallelgesellschaften liebäugeln, souffliere ich den weniger Abstraktionstüchtigen beziehungsweise Antideutschen unter meinen Lesern: dass es bequem denkbar ist, als Migrant weder ein Djihadist noch ein Arschkriecher zu sein.) Freddy Quinn kann nachgerade als Urahn bundesrepublikanischer Rektalimmigration gelten und unser WELT-Ökonom als sein Enkel.

Zum Inhalt der zitierten Sätze ist wenig zu sagen was nicht schon gesagt wäre. Dass man in der Politik inzwischen nur noch dann „wir“ sagt, wenn man es besser weiß oder ein Nazi ist, hat sich herumgesprochen. Chefs sagen gerne „wir“, wenn sie mit ihrem Humankapital reden. Oder Präsidenten, wenn sie „unser“ Land „ein gutes Land“ nennen, damit keiner auf die Idee kommt, es ginge ihm schlecht. Im großen phantastischen Wir gibt es nichts, was nicht rein diskursiv verhandelbar wäre: man kann über alles reden. Aber man kann nicht alle überzeugen. Polizisten nicht, Soldaten nicht, Kapitalisten nicht: für die sind die öffentliche Ordnung, der Befehl oder der Mehrwert gänzlich unverhandelbar. Und damit müssen ‚wir‘ uns abfinden. Sonst sind ‚wir‘ Diskursfeinde. Wer darauf beharrt, dass seine Meinung wahrer sei als eine andere, ist ein Gegner der freien Meinungsäußerung. Diese Grenze ist gewissermaßen diskursextern. Auch was verhandelbar ist ist es oft nur scheinbar: Gehälter zum Beispiel vor allem nach unten. Entscheidet man sich etwa im demokratischen Diskurs für die doch gar nicht abwegige Position, dass es klasse wäre, wenn ein paar ausgebrannte Alleinerziehende einmal einen zwanzigfach erhöhten Lohn erhalten sollten, um sich damit ein Jahr zu erholen – also selbst schon eine billige sozial-demokratische Anbiederung – wird man erleben, wie offen die bürgerliche Diskurswelt und wie permeabel die angrenzende demokratische Realität dafür ist. Dass die „gutbürgerlichen“ „Vandalen“ „alles“ „negierten“ „wofür wir arbeiten“, was auf Einzelne in Frankfurt sogar zutreffen könnte, wäre da doch endlich eine gute Nachricht. Das wird man ja wohl noch negieren dürfen im Diskurs!

Nein, darf man nicht. „Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung“ gehört ebenso in die Diskursquarantäne wie jenes finstere Hirngespenst, das noch immer in manchen Vandalenköpfen umgeht – der Kommunismus. Denn:

Meine Eltern, die in der Sowjetunion geboren wurden und dort aufwuchsen […] kommen aus einem Land, das sich dem Antifaschismus verschrieben hatte und das seine Bürger maßregelte, unterdrückte und sie in ihrer Freiheit einschränkte wie kein anderes. Das war und ist Kommunismus.

Treffen sich zwei Staatsmänner und reden über Freiheit. Sagt der eine: „Ich höre, es sieht schlimm in eurem Land aus. Viele Menschen sitzen jahrelang in Gefängnissen oder werden gefoltert.“ „Ja, das stimmt“, erwidert der andere, „alle Verbrecher haben wir eingesperrt, damit das Volk in Ruhe leben kann. Ich höre aber, dass es bei euch viel finsterer zugeht. Ihr hört Millionen von unbescholtenen Bürgern ab und überwacht sie und bringt täglich Menschen ohne Gerichtsverhandlung um.“ „Das könnte sein“, antwortet der erste darauf, „aber das sind alles Terroristen. Wir sorgen nur für die Sicherheit der Unschuldigen.“

Es stimmt, dass die Sowjetunion ein Land war, in dem auch nicht mehr Menschen ihre Individualität entwickeln und genießen konnten als in der westlichen Demokratie, was nun einmal das Programm des Kommunismus bleibt. Den sehr richtigen Hinweis, dass die Sowjetunion nicht der Kommunismus „war und ist“, den schenken wir an dieser Stelle all jenen, die sich von der bürgerlichen Demokratie Selbstbestimmung und Genuss erhoffen… Denn eine Herrschaftsform, die bei den Beherrschten nicht einmal die alleruntersten Stufen der Bedürfnishierarchie wie Nahrung, Wohnen, Wärme, Schlaf, Sicherheit und soziale Akzeptanz abzudecken vermag, von der sollte man kaum erwarten, dass sie dafür garantiert, dass man ein gutes Leben hat. Stattdessen fördert und verlangt sie einfach von Staats, Schule und Medien wegen all jene Illusionen, die sich gerade auch Migranten über ihre Chancen auf Erfolg und Zufriedenheit machen. Die beliebteste und falscheste dieser Illusionen lautet etwa: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er will.

Das ist fast immer falsch.

Richtig ist dagegen genauso oft: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er verdient. –

Wie heißt es doch auf Evangelischen Kirchentagen immer so schön:

Danke für meine Arbeitsstelle. Danke für jedes kleine Glück.